Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
hoffte Awin, dass er für einen Augenblick Ruhe hätte, doch er hatte die Neugier seiner Freunde unterschätzt. Sie wollten wissen, was er gesehen hatte, wie diese Reise war und ob er Tengwil begegnet sei. »Du hast so viel erzählt, Awin«, rief Mabak aufgeregt. »Curru, ich meine, Meister Curru hat nur gesagt, dass er den Fremden gesehen habe, wie er Elwah tötete, und dass es der Mann aus dem Haus des Raik sei, mehr nicht.«
»Sag, wie war es, wie fühlte es sich an?«, fragte Tauru.
Awin setzte zu einer Antwort an, aber dann breitete er nur die Arme aus und sagte: »Es ist nicht zu beschreiben, denn es fehlen mir die Worte für das, was ich sah. Es ist … groß!«
»Groß?«, hakte Mabak unzufrieden nach. »Was meinst du denn mit groß?«
»Ach, ich sagte ja, ich kann es nicht beschreiben. Aber erzählt, was ist hier geschehen, während ich … fort war? Ich sehe, dass Eri wieder da ist.«
Die beiden Jungkrieger wechselten einen vielsagenden Blick. »Der Yaman hat ihn noch nicht bestraft. Er hat kaum ein Wort mit ihm geredet. Eri wird wohl noch sehr bedauern, was er getan hat«, sagte Tauru.
»Und in der Nacht wurde auf dem Tempelberg gekämpft, wir konnten es hören!«, rief Mabak aufgeregt.
»Auf dem Berg?«, fragte Awin verwundert.
»Ja, doch war es kein sehr langer Kampf«, meinte Tauru,
»vielleicht war es auch gar kein Kampf, denn in der Stadt blieb es sonst ruhig. Ich bin sicher, es war nicht halb so aufregend wie das, was du erlebt hast, Awin. Erzähle, hast du auch uns gesehen?«
»Lasst ihn in Ruhe, ihr jungen Krieger, euer neuer Seher muss sich erholen, seht ihr das nicht?« Es war Harbod, der den Eifer der Jungkrieger bremste.
Awin sah Mewe und Bale ihre Pferde besteigen. Zwei Krieger aus dem Fuchs-Klan begleiteten sie. Sie machten sich auf den Weg, Ebu und Ech zu suchen, in der Hoffnung, dass sie nicht vorfinden würden, was Awin angedeutet hatte. Ihre Tiere scheuten, denn der Wind war stärker geworden.
»Ein seltsamer Wind«, meinte Harbod, als die Jungkrieger murrend verschwanden.
»Nyet bereitet sein Kommen vor«, entgegnete Awin und nahm einen großen Schluck aus dem Trinkschlauch.
»Das dachte ich auch, doch ich glaube, in diesem Land haben die Winde andere Namen und ein anderes Benehmen. Nyet wäre schon längst über uns hinweggezogen und hätte uns unter seinen hässlichen Staubwolken begraben. Dieser dort kündigt sich seit dem Morgengrauen an, doch will er wohl einfach nicht erscheinen, ja, er kann sich noch nicht einmal entscheiden, aus welcher Richtung er kommen will. Er scheint launisch und unbeständig wie Seweti, nur viel stärker.«
»Das mag sein, Meister Harbod.«
»Ich sehe, es ist nicht der Wind, der dich beschäftigt, Seher.«
»Es ist viel geschehen«, erwiderte Awin lahm. Er hatte den Verdacht, dass Harbod auf etwas hinauswollte. Konnten sie ihn nicht einfach alle für eine Weile in Ruhe lassen?
»Curru würde es sicher gerne ungeschehen machen, aber ich denke, seit dieser Nacht bist du ein Seher.«
Awin zuckte mit den Achseln. Einige Eindrücke der Nacht
zuckten plötzlich durch seine Gedanken. Der Kampf in dem kleinen Talkessel, das schreiende Pferd. Er schloss die Augen und schickte Tengwil ein Gebet, dass es nicht geschehen sein möge.
»Der Klan der Schwarzen Berge ist alt und hat viel Ruhm erworben, Awin«, fuhr Harbod fort.
Awin öffnete die Augen. Halb hoffte er, sich am grauen Meer wiederzufinden. Aber da war nur Harbod. Ihm fiel erst jetzt auf, dass der schwarze Kreis aus Speeren und Umhängen verschwunden war.
»Dir ist doch klar, dass euer Klan für zwei Seher zu klein ist, oder?«
Ging es darum? Wollte Harbod ihn für den Fuchs-Klan gewinnen? Jetzt? Er schwieg.
»Ich weiß, was du sagen willst, Seher. Es ist die Sache der Yamane, solche Dinge zu entscheiden. Ich hoffe, du verurteilst mich nicht, wenn ich versuche, den Wohlstand meines Klans zu mehren, auch wenn ich noch nicht Yaman bin.«
Hatte er noch nicht gesagt?
»Yaman Auryd ist gewiss ein ehrenwerter Mann, doch sein Anspruch auf den Titel wird von vielen in unserem Klan bezweifelt. Er hat auch noch keinen Erben gezeugt, ja, noch nicht einmal eine Tochter. Ich hingegen habe zwei Söhne und drei Töchter. Die erste ist schon verheiratet, doch die zweite, die liebliche Kuandi, nicht, und sie ist nur drei oder vier Jahre jünger als du.«
Awin erhob sich abrupt. »Ich muss nach meinem Pferd sehen«, murmelte er und ließ den verdutzten Harbod einfach stehen.
Bei den Pferden traf
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