Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
ehrwürdiger Yaman. Was aber den Fremden dort betrifft, so steckt die Spitze einer Hakul-Lanze in seiner Brust.«
»So haben Ebu und Ech ihn besiegt?«, fragte der Yaman tonlos.
»Es ist an dieser Wunde kein Blut aus dem Körper ausgetreten. Es ist, als habe ihn die Lanze erst durchbohrt, nachdem er
schon lange tot war. Eine andere Wunde klafft in seiner Brust, von einer großen Axt, würde ich sagen. Seine Kleider sind dort voller Blut. Doch war der Boden unter dem Leichnam ganz trocken. Es ist ein Rätsel.«
»Wer fragt danach?«, rief Harbod. »Dieser Akkesch war am Kampfplatz, wahrscheinlich hat er dem Fremden geholfen!«
»Ich frage danach, Harbod!«, rief der Yaman mit schneidender Stimme.
»Ich habe den ganzen Weg hierher darüber nachgedacht«, fuhr Mewe fort, »und ich denke, auch dieser Mann fiel durch die Hand unseres Feindes - und zwar nicht in diesem Talkessel. Der Feind hat ihn anderswo getötet und nur dorthin geschafft, um uns und die Akkesch zu täuschen. Seht ihre Ringe, ihre Dolche, Waffen - es ist noch alles da. Der Räuber versucht uns weiszumachen, nicht er habe unsere Brüder getötet.«
»Und wenn es so war?«, rief Curru. »Awin hat doch nicht mehr als einen Schatten gesehen.«
»Er sah auch ein Mädchen!«, widersprach Tuwin. »Und jener Mann dort im Sattel sieht wahrlich nicht aus wie ein Mädchen, auch wenn er kostbare Gewänder trägt.«
»Und den hat mein Schüler gar nicht erwähnt«, stellte Curru trocken fest.
»Aber wer mag das sein?«, fragte Harbod.
»Wir werden die fragen, die es wissen müssen«, erwiderte Yaman Aryak langsam. »Folgt mir zum Tor.«
»Aber ehrwürdiger Yaman, wie sollen wir mit deinen Söhnen …«, begann Bale, stockte und fuhr dann fort: »Wir müssen sie begraben, Aryak.«
Der Yaman ließ seine Augen auf den beiden Toten ruhen. Eine ganze Weile sagte er gar nichts. Dann schüttelte er den Kopf. »Nicht hier, Bale, ich will nicht, dass meine Söhne in fremder Erde ruhen. Wir werden sie nach Hause bringen.«
Die Männer sahen einander besorgt an. Nach Hause? Das war ein Ritt von beinahe zwei Wochen.
»Alter Freund, ich verstehe deinen Schmerz, aber wir sind auf einem Kriegszug«, wandte Curru vorsichtig ein, doch der Yaman schnitt ihm das Wort ab: »Ihre Gräber sollen in unserer Erde liegen. Baut Tragen, wie für die Verwundeten, und reinigt ihre Wunden.«
Die Krieger zögerten, denn Currus Einwand war berechtigt. Ebu und Ech waren auf einem Kriegszug gefallen, und das hieß für einen Hakul, dass fremde Erde ihn decken würde. Aber der Yaman duldete keinen Widerspruch. »Ich habe einen Befehl erteilt, oder nicht? Wollt ihr mir in dieser Stunde den Gehorsam verweigern?«
»Ich werde die Tragen bauen, ehrwürdiger Yaman«, erklärte Tuwin der Schmied zu Awins Erstaunen. Die Hakul nahmen ihre Toten nicht mit, ja, oft genug mussten sie sogar die Verwundeten zurücklassen. Vielleicht nahm der Schmied an, dass der Yaman noch zur Vernunft kommen würde - wenn nicht gleich, dann doch vielleicht am nächsten Morgen. Und dann würden sie tun, was getan werden musste. Natürlich, so musste es sein: Tuwin wollte Aryak einfach etwas Zeit geben. Awin sah in das Gesicht ihres Klanoberhaupts. Alle Farbe war daraus gewichen, es war leblos wie Stein. Zwei seiner drei Söhne waren tot. Er hatte sich entschlossen, sie nach Hause zu bringen. Es sah nicht so aus, als würde er sich bald anders besinnen.
»Ich helfe dir, Tuwin«, rief Eri. Auch der Knabe war totenbleich, und seine Mundwinkel zuckten. Der Verlust seiner Brüder hatte ihn ohne Zweifel hart getroffen.
»Mabak und Tauru, geht ihnen zur Hand«, befahl der Yaman mit heiserer Stimme. »Die anderen folgen mir. Wir wollen die Akkesch fragen, wer dieser Tote ist.«
Ohne ein weiteres Wort wendete der Yaman sein Pferd und
hielt auf das Tor der Hirth zu. Die Krieger zögerten nur einen kurzen Augenblick, dann setzte Curru sein Pferd in Bewegung, ihm folgte Harbod, dann die Übrigen. Auch Awin folgte seinem Yaman. Er bemerkte, dass in der Stadt wieder Ruhe herrschte. Die Kämpfe schienen vorüber zu sein. Es roch verbrannt, sobald sie näher an die mächtige Stadtmauer kamen. Als sie das Tor fast erreicht hatten, wurden sie von einem verborgenen Wächter angerufen: »Halt, Hakul! Nicht näher oder ihr werdet es bereuen.«
Der Yaman gab dem Fuchs-Krieger, der das Pferd mit dem toten Akkesch führte, einen Wink. Der Mann zog das Tier vor die Schlachtreihe.
»Ich verlange, mit dem Herrn dieser Stadt zu
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