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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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schützen. Auch dieses Dorf war ein geschlossener Kreis von
Häusern, deren Mauern gleichzeitig die Außenmauer der Siedlung darstellten. Sie waren so hoch, dass auch ein Hakul, der auf dem Rücken seines Pferdes stand, nicht hinaufgelangen konnte. Es gab auch keine Zinnen und keine Mauervorsprünge, über die man ein Seil hätte werfen können, und die flachen Dächer der Häuser waren hervorragend dazu geeignet, Männer zur Abwehr dort aufzustellen. Wurde so eine Siedlung tapfer verteidigt, war sie nur unter Opfern einzunehmen, das wusste Awin.
    »Ich sehe keine Verteidiger«, rief Bale, der wohl dieselben Gedanken hatte.
    »Sie mögen sich verstecken oder nicht, wir werden es gleich wissen«, rief Harbod. »Bale, Tauru, Kawi - die Leiter, schnell, schnell!«, rief er. Die Akkesch hatten ihre Mauern, die Hakul ihren Mut und ihre Geschicklichkeit. Bale und Harbod bildeten das Fundament, Tauru stellte sich auf ihre Schultern und der junge Fuchs-Krieger Kawi kletterte behände über die Männer auf den Rand der Mauer. Er verharrte oben einen kurzen Augenblick, stieß einen lauten Schrei aus und ließ sich zurück in die Tiefe fallen. Ein Wurfspeer schnitt durch die Luft, wo er eben noch gekauert hatte.
    »Verflucht sollen sie sein, die Akkesch«, rief Harbod. »Schnell Männer, hinauf, hinauf!«
    »Ich sah nur einen!«, rief Kawi, der auf dem Boden saß und sich den Knöchel hielt.
    Awin sprang vom Pferd. Sie brauchten das Wasser, und ein einzelner Speerwerfer konnte sie nicht aufhalten. Rasch bildete einer der Fuchs-Krieger mit Mewe und Tuwin eine zweite Leiter, ein Stück weiter wuchs eine dritte mit Curru und Eri empor. Awin wurde plötzlich bewusst, dass es an ihm war, die Mauer zu erklimmen. Er kletterte über Harbod und Tauru nach oben, zog sich über die Brüstung und rollte sich blitzschnell zur Seite ab. Kawi hatte Recht, es war nur ein einzelner Mann oben auf den
flachen Dächern der Häuser zu sehen. Awin griff nach seinem Sichelschwert. Der Akkesch starrte ihn an, einen Wurfspeer in der Hand. Dann kamen auch Eri und ein weiterer Fuchs-Krieger über die Mauer. Der Akkesch warf seinen Speer nach Eri, aber eine Sturmböe ergriff das Geschoss und trug es weit am Ziel vorbei. Der Mann zog sein Sichelschwert, aber Eri war zu schnell für ihn. Mit einem Schrei stürzte er sich auf den Fremden, unterlief das ungelenk geschwenkte Schwert und rammte dem Mann seinen Dolch in die Brust. Awin lief über das Dach zum Innenhof. Er lag völlig verlassen. Die ganze Siedlung war wie ausgestorben. Er nahm eine Holzleiter, die auf dem Dach lag, ließ sie in den Hof hinab und kletterte schnell hinunter. Immer noch war kein weiterer Feind zu sehen. Hielten sich die Bewohner in den Häusern versteckt, oder hatten sie das Dorf sogar verlassen? Der Fuchs-Krieger folgte ihm. Zu zweit hoben sie den schweren Riegel vom Tor, öffneten es und ließen ihre Sgerbrüder ein. Es war eine Sache von wenigen Augenblicken. Die Krieger stürmten hinein und kletterten auf die Dächer. Die Siedlung und ihr Wasser gehörten ihnen.
    Yaman Aryak kam als Letzter durch das Tor. Stumm betrachtete er die tür- und fensterlosen Mauern. »Bringt mir den Ältesten«, befahl er, »aber tötet niemanden, der sich nicht wehrt. Wir sind nicht auf einem Kriegszug!«
    »Habt ihr gehört, ihr Krieger? Wir sind nicht hier, um zu plündern!«, rief Curru.
    Awin stieg über die Leiter wieder auf das Dach. Er wollte sich den Toten näher ansehen. Eri kniete neben ihm, den Blutdolch noch in der Brust seines Gegners. Er murmelte die Gebete, die die Kraft seines Feindes auf ihn übertragen würden. Die anderen Hakul brachen die Deckenklappen auf, die einzigen Zugänge zu diesen Häusern, und verlangten nach dem Ältesten. Awin sah Bale und Harbod durch eine der Klappen
nach unten verschwinden. Kurz darauf verrieten durchdringende Schreie, dass wohl doch jemand versuchte, sich zu wehren. Awin wandte sich ab. Plötzlich stand Merege neben ihm. Ihr langes schwarzes Haar wurde vom Wind zerzaust. Es berührte seinen Arm.
    »Es ist der Läufer«, rief sie gegen den Sturm.
    Jetzt erkannte Awin ihn auch. Der Mann trug einen leichten Umhang über seinem Lendenschurz, wohl um sich vor Nyet zu schützen. Das ist nicht gut, dachte Awin.
    Eri zog seinen Dolch aus dem Körper, sah Merege mit einem sehr seltsamen Blick an und sagte zu Awin: »Ich habe sein Leben und seine Stärke genommen. Und du? Du hast wieder eine Gelegenheit versäumt, dir endlich deinen Blutdolch zu verdienen,

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