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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Krieger ließen Frauen, Kinder und Alte nahezu schutzlos zurück. Natürlich würde die Yamani die Weißen Federn am Wagen und später auf ihrem Zelt setzen lassen, und natürlich würde kein Hakul von Ehre ein Lager angreifen, das unter dem Schutz dieses Zeichens stand. Aber was, wenn er sich geirrt hatte? Was, wenn da draußen doch Feinde waren, Fremde, vielleicht
so zahlreich, dass sie keine Eile nötig hatten? Was, wenn gerade jetzt hunderte von Kriegern über die staubige Ebene ausschwärmten, fest entschlossen, jeden Hakul, gleich ob Mann, Frau oder Kind zu töten? Er versuchte die Gedanken zu verscheuchen, aber es fiel ihm nicht leicht. Er musste wieder an die Wolfsfährten denken. Eine schwere Erschütterung stand ihnen bevor, wenn stimmte, was die Sehersprüche der Alten sagten. Awin hoffte inständig, dass sie sich irrten.

Die Schwarzen Berge
    DER SGER WAR noch gar nicht aufgebrochen, als er gleich wieder stockte, denn Yaman Aryak bemerkte, dass Elwahs Frau Sigil tatsächlich vorhatte, sie mit ihrer Schwiegertochter Hengil zu begleiten. Er versuchte zunächst, es ihr auszureden, dann wollte er es ihr verbieten, aber sie blieb stur: »Es ist mein Mann, und es sind meine Söhne, um die es geht. Kein Gott, kein Daimon und schon gar kein Mensch wird mich daran hindern, in die Berge zu reiten, Yaman Aryak, ob mit dir und deinen Kriegern - oder ohne euch.«
    Der Yaman blickte hilfesuchend zu seiner Frau, aber die nickte nur und sagte: »Nimm sie mit, Aryak, oder willst du sie an einen Wagen binden wie ein Stück Vieh? Denn einen anderen Weg, sie aufzuhalten, kann ich nicht sehen.«
    Brummend gab Aryak nach. Seinen Unmut bekam Bale zu spüren, den er wütend anfuhr und ermahnte, sich endlich zu rüsten. »Und dann wirst du dich beeilen, uns mit deinen missratenen Nachfahren einzuholen. Sollten wir die Schwarzen Berge ohne euch erreichen, wirst du das sehr bedauern, Bale!«
    Awin beobachtete mit Erstaunen, wie der sonst so selbstbewusste Bale unter dem Zorn des Klanoberhauptes zu schrumpfen schien und nur kleinlaut nickte. Als auch diese Angelegenheit geklärt war, brachen sie endlich auf. Sie verließen das Lager Richtung Westen. Auf der Kuppe des ersten Hügels drehte sich Awin noch einmal um. Viele Frauen und Kinder standen dort unten und blickten ihnen stumm nach. Dann hörte er die helle Stimme der Yamani: »Auf jetzt, ihr Frauen, beladet die Wagen
und macht euch fertig. Es liegt ein langer Weg vor uns.« Und daraufhin zerstreute sich die Menge. Es mochte vielerlei Sorgen geben, aber Gregil war klug genug, ihnen keine Zeit für dunkle Gedanken zu lassen. Awin wandte den Blick nach vorn. Die Zeichen waren düster, und es waren nicht nur die alten Sehersprüche, die ihn bekümmerten: Er fühlte immer noch dieses bleischwere Unbehagen, das ihm seit dem Morgen auf dem Gemüt lag. Und dann die Geier - wenn sie nicht über der Steppe kreisten, dann mussten sie in den Bergen Nahrung gefunden haben. Er würde bald wissen, ob es etwas anderes war als einige verendete Schafe. Ein unangenehmer Wind blies ihm ins Gesicht. Skefer, den Peiniger, nannten ihn die Hakul. Er kam aus der Wüste. Wenn er über die Dünen zog, brannte es in den Augen, und der Kopf schmerzte. Tuge der Bogner ritt eine Weile neben Awin. »Skefer wagt sich heute weit in die Ebene hinaus«, meinte er schließlich. »Was sagen die Seher zu diesem Zeichen?«
    Awin nahm an, dass ihn der Bogner mit dieser höflichen Frage aufmuntern wollte. Vielleicht hatte Curru ihm erzählt, wie unzufrieden er mit dem Verlauf der Probe am Morgen gewesen war. Er bedachte seine Antwort sorgfältig. Die Hakul hassten diesen Wind und fürchteten ihn als Unglücksboten. Er wurde zu den fünf verfluchten Winden der Slahan gezählt. »Die Tränen, die Skefer dich weinen lässt, werden nicht ohne Grund vergossen«, zitierte Awin eine alte Seherweisheit und fuhr fort: »Du hast Recht, Meister Tuge, er weht weit von der Slahan entfernt, und das ist kein ermutigendes Omen.«
    »Und nichts zu sehen, was dir Anlass zur Hoffnung gibt?«
    Curru hätte vermutlich geantwortet, dass doch immer Anlass zur Hoffnung sei, aber Awin wäre es unangemessen erschienen, Tuge mit so einer Binsenweisheit abzuspeisen. Stattdessen sagte er: »Es ist nur ein Wind, Meister Tuge. Ich glaube nicht,
dass er etwas über uns oder Elwah weiß. Lewe hat es ins Lager geschafft. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen.«
    »Du hast ihn nie gesehen, oder?«, fragte der Bogner mit einem seltsamen

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