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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Lächeln.
    »Wen?«
    »Skefer.«
    Awin kannte die Geschichten, die man sich am Lagerfeuer erzählte: Von Skefer, der angeblich von Zeit zu Zeit als verirrter Wüstenwanderer Gestalt annahm und um Hilfe rief. Wer immer aber ihm zu Hilfe eilte, der wurde von der Slahan verschlungen wie von einem hungrigen Raubtier. Und weil die Hakul klug geworden waren und niemandem mehr halfen, verwandelte sich der Peiniger wieder in einen Wind und suchte die Hakul von Zeit zu Zeit noch in ihren Zelten heim.
    »Das sind doch nur Legenden«, beantwortete Awin endlich die Frage des Bogners.
    »Curru hat mir schon gesagt, dass du nicht viel auf die alten Überlieferungen gibst«, meinte Tuge. Dann fuhr er ernst fort: »Ich kann verstehen, dass ihn das bekümmert, junger Seher, aber ich hoffe doch sehr, dass du Recht hast und all diesen schlechten Vorzeichen keine Bedeutung zukommt.«
    Dann schnalzte er mit der Zunge und galoppierte nach vorn. Awin fragte sich, ob er Curru wohl von dieser Unterredung berichten würde. Im Westen ragten die Schwarzen Berge in den Himmel. Am Abend würden sie dort sein, wenn sie nicht auf unvorhersehbare Hindernisse stießen. Es war gut, dass der Yaman Mewe vorausgesandt hatte. Er war der beste Jäger des Klans und ein Meister im Spurenlesen. Ihm würde kein Zeichen von Gefahr entgehen. Awin suchte selbst immer wieder den Horizont nach verräterischen Staubwolken ab, doch da war nichts zu sehen. Wenn ein Feind in der Steppe war, bewegte er sich nicht.

    »Du siehst besorgt aus«, sagte Karak, der neben ihm ritt. Er war der jüngere Sohn des Bogners.
    »Erstaunt dich das?«, fragte Awin befremdet. »Etwas Schlimmes muss geschehen sein, wenn Lewe blutbefleckt und alleine ins Lager kommt. Wie sollte ich da nicht besorgt aussehen?«
    Karak nickte und biss sich auf die Lippen. Er war ein Jahr älter als Awin, wirkte ihm gegenüber aber immer etwas befangen. Offenbar empfand er Scheu vor der Sehergabe. Awin merkte erst jetzt, dass der Ältere nur ein Gespräch hatte anfangen wollen und er ihn verschreckt hatte. Also sagte er: »Es tut mir leid, Karak, ich war in Gedanken. Die Zeichen mögen düster sein, aber die Sonne scheint hell, und Mewe ist uns vorausgeritten. Ich glaube nicht, dass uns Gefahr droht.«
    Tauru, der ältere Bruder Karaks, ritt vor ihnen in der Doppelreihe. Er wandte sich um und sagte: »Du glaubst? Kannst du es denn nicht sehen?« Sein spöttischer Unterton war nicht zu überhören.
    »Lass ihn, Tauru«, bat Karak. »Ich hoffe, er hat Recht - einem starken Feind wären wir kaum gewachsen.«
    Tauru lachte verächtlich. »Wir sind Hakul, wir zählen unsere Feinde nicht.«
    »Aber wir zählen unsere Freunde«, warf Tuge der Bogner ein, der sich wieder ein Stück hatte zurückfallen lassen. »Und ich meine, die wenigen, die wir sind, sollten beträchtlich weniger Lärm machen. Ihr seid weiter zu hören als mein Jagdhorn. Haltet Ruhe, oder habt ihr vergessen, dass dies ein Kriegszug ist?«
    »Nein, Baba«, antwortete Karak und wurde rot.
    »Dann schweigt und haltet die Augen offen. Und macht mir keine Schande, denn während Mewe vorausreitet, hat der Yaman mir die Aufsicht über euch Jungkrieger übertragen.«
    Dann gab er seinem Pferd die Fersen und nahm seinen alten
Platz wieder ein. Awin kam dieser Befehl nur gelegen. Er wollte nicht über das reden, was vor ihnen lag, und er wollte auch keine wilden Vermutungen darüber anstellen. Er dachte an das, was Tuge gesagt hatte. Ihre Schar war wirklich klein. Sie ritten, wie üblich, in Doppelreihe, der Yaman und Curru vorn, dahinter die erfahrenen Krieger und die Söhne des Yamans, dazwischen die beiden Frauen. Sie trugen leichte, helle Reitkleidung und hatten Schleier angelegt, um ihr Gesicht vor dem Staub zu schützen, den Skefer über die Steppe trieb.
    Awin entging nicht, wie unangenehm den Männern ihre Gegenwart war. Sie waren auf Kriegszug - eine Angelegenheit voller Blut, von der düstere Lieder am Lagerfeuer kündeten, Männersache eben. Aber wie sollte man vom Töten reden oder gar singen, wenn Frauen zugegen waren? Er selbst fand, dass diese beiden hellen Frauengestalten ihrem Zug etwas Unwirkliches gaben. Es sah aus, als würden sie zwei Bräute zu ihrer Hochzeit begleiten, nur dass sie keine Bräute, sondern vielleicht Witwen waren. Tuge beschloss mit den Jungkriegern den Zug. Und so oft Awin auch zählte, sie wurden nicht mehr. Wenn er Mewe und den dicken Bale mit Sohn und Enkel dazurechnete, kam er auf gerade einmal sechzehn Krieger.

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