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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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verhungert oder auf sonst eine Weise ums Leben gekommen. Doch seit heute - seit heute sehe ich eine andere Möglichkeit.«

    Awin schüttelte den Kopf. Etys, der Erste Fürst aller Hakul, Etys, der zur Rechten Marekets über die immergrünen Weiden der nächsten Welt ritt - Etys sollte ein gemeiner Dieb sein? Das war nicht möglich!
    »Seit jener Zeit«, fuhr Merege fort, »müssen nun vier Kariwa dort wachen, wo einst schon einer genügte. Die Daimonen spüren, dass das Siegel geschwächt ist, und sie kommen nun öfter, um zu prüfen, ob das Tor ihnen noch standhält. Die Wächter müssen dann all ihre Kraft aufbieten, um das Siegel zu stärken. Es sind schwere Zeiten für uns Kariwa, und sie dauern schon sehr lange.«
    In Awin tobte ein Kampf widersprüchlichster Gefühle, schließlich sagte er: »Du solltest das nie einem anderen Hakul erzählen, Merege, keinem, dem du nicht wenigstens, so wie mir, das Leben gerettet hast. Es könnte sonst sein, dass er dich tötet.«
    »Aber wie wir wissen, ist das nicht so einfach«, sagte eine Stimme aus dem Dunkel.
    Awins Hand fuhr zum Sichelschwert. Ein Mann trat aus dem Schatten. Kleidung und Brustpanzer hingen in Fetzen, das graue Haar stand wirr in alle Richtungen, und sein Arm war blutverschmiert. Es war Curru.
    »Meister Curru!«, rief Awin und sprang auf.
    »Ihr seid unvorsichtig, dieses Feuer leuchtet weit über die Felsen.«
    »Wie lange hast du uns belauscht, alter Mann?«, fragte Merege kalt.
    »Gar nicht, Kariwa, denn ich komme um vor Durst und hoffe, dass ihr etwas für uns habt.«
    Awin konnte immer noch nicht glauben, dass sein Ziehvater die Schlacht überlebt hatte. Dann erfasste er, was Curru gesagt hatte. »Uns?«, fragte er.
    »Habt ihr nun Wasser? Der Yaman ist bei mir.«

    »Nein, nein, keinen Tropfen, Meister«, stotterte Awin aufgeregt. »Aber der Yaman, er hat überlebt? Wo ist er?«
    Curru drehte sich um und rief in die dunklen Schatten hinein: »Yaman Eri, du kannst kommen. Es ist sicher. Aber Wasser haben sie auch keines.«
     
    Eri sah nicht viel besser aus als Curru. Sein Umhang war fort, seine Kleidung zerrissen. Er hatte seinen Helm noch, aber die Kriegsmaske hatte er verloren. Eine dicke Schwellung im Gesicht zeugte davon, dass sie vermutlich Schlimmeres verhindert hatte. Er kam aus den Schatten, nickte den beiden am Feuer knapp zu und setzte sich wortlos auf einen Stein. Merege betrachtete ihn mit einem Stirnrunzeln. Eri bemerkte es, er sah sie mit brennendem Blick an, dann sagte er: »Ich habe meinen Schwur nicht vergessen, Kariwa, du kannst also unbesorgt sein.«
    Merege lächelte ein sehr feines Lächeln, bevor sie erwiderte: »Ich habe keinen Schwur geleistet, Hakul, doch entspricht es nicht meiner Art, mich an Kindern zu vergreifen. Also kannst auch du unbesorgt sein.«
    Eri sprang auf, und seine Hand fuhr zum Dolch, doch Curru fiel ihm in den Arm und nötigte ihn, sich wieder zu setzen. Die Blicke der beiden verhießen jedoch nichts Gutes. Tausend Fragen schossen Awin in den Sinn. Er fing mit der wichtigsten an: »Sind noch mehr von uns entkommen?«
    Curru schüttelte den Kopf. »Ich hielt bis eben Eri und mich für die Einzigen. Ich sah dich stürzen, Awin, mitten in der Ebene, und viele Streitwagen waren zwischen dir und mir. Wie hast du es geschafft, ihnen zu entgehen?«
    »Merege hat mich gerettet. Sonst wäre ich nicht hier«, antwortete Awin knapp.
    Curru setzte sich vorsichtig hin und hielt dabei ein Stück Stoff an sein Bein gepresst. Es war blutgetränkt. Er bedachte
sie beide mit misstrauischen Blicken. »Ich frage mich, wie sie das wohl geschafft haben mag.« Da aber weder Awin noch Merege diese Frage beantworteten, fuhr er fort. »Was mich betrifft, so hatte ich schon mit meinem Leben abgeschlossen. Meine Pfeile hatte ich verbraucht, die Sgerlanze war an der Rüstung eines Akkesch zerbrochen, und mein kurzes Sichelschwert war nutzlos gegen ihre Wagen, Speere und Bögen. Es wäre ein guter Tod gewesen inmitten dieser Schlacht. Dann sah ich dich stürzen, Awin, und ich erinnerte mich an das, was Yaman Aryak dir aufgetragen hatte. Wenn du aber tot warst, wer sollte dann die Suche nach dem Heolin fortsetzen? Ich blickte mich um. Ich hatte Tuwin sterben sehen, Bale und auch Aryak. Auch Harbod war längst gefallen und seine Klanbrüder mit ihm. Ich glaubte, ich sei der Einzige, der noch übrig war. Also durfte ich nicht sterben! Der Sturm war so gnädig, die meisten Pfeile, die die verfluchten Akkesch nach mir schossen, abzulenken.

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