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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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zehn Jahre alt, der Wasser schöpfte, während die Raubkatzen sich zum Sprung duckten. Darüber sagte er jedoch nichts. Etwas an diesem Bild schien ihm beunruhigend falsch zu sein.
     
    Auch diese Nacht war kurz. Awin hatte gehofft, er könne im Traum auf Reisen gehen, vielleicht sogar Senis treffen, aber er schlief tief und traumlos und konnte nicht glauben, dass es schon dämmerte, als Curru ihn weckte. Als sie aufbrachen, hörten sie
das heisere Brüllen eines Löwen. Es schien gar nicht so weit entfernt zu sein. Eri hatte die Wache für die ganze Nacht übernommen, wenigstens behauptete er das. »Ich war am Rand der Felsen. Ich sah einige Streitwagen, die noch in der Nacht Richtung Serkesch fuhren, doch waren es bestimmt nicht alle. Es ist also doch möglich, dass sie uns Männer hinterhergeschickt haben.«
    »Wenn du an dieser Felskante warst, junger Hakul«, fragte Merege, »wie hast du dann gleichzeitig hier Wache gehalten?«
    »Es ist nicht weit«, zischte Eri.
    Awin grinste dünn. Der Knabe hatte seinem Vater ja schwören müssen, dass er der Kariwa kein Haar krümmen würde. Er war sich sicher, dass Eri diesen Schwur gerade bedauerte. Jetzt drängte der Yamanssohn zum Aufbruch und übernahm wie selbstverständlich die Führung. Curru folgte ihm hinkend und rief ihm ständig wohlmeinende Ratschläge zu. Mal schlug er andere Wege vor, mal riet er dazu, die Kräfte zu schonen, falls es zum Kampf käme. Eri schien weder das eine noch das andere zu hören. Er kletterte voran, ohne Rücksicht darauf, ob die anderen ihm folgen konnten oder nicht. Awin widerstand der Versuchung, es Eri gleichzutun. Er fühlte sich in der Gegenwart seines ehemaligen Meisters unwohl. Er hatte die Sache mit den Rabenbeeren immer noch nicht klären können und wollte es auch jetzt nicht tun. Es war eine Seherangelegenheit, und er wollte sie nicht in Mereges Gegenwart besprechen.
    »Dein Yaman versteht es, einen Sger zu führen«, stichelte Awin, als sie Eri gänzlich aus den Augen verloren hatten.
    »Er ist unser Yaman, junger Freund, und ich bin froh, dass er für uns den besten Weg erkundet«, antwortete Curru keuchend. Er hatte sich an die Wand gelehnt, sein Gesicht war schmerzverzerrt, und er hielt die Hand auf sein Bein gepresst.
    »Du bist verwundet«, stellte Merege nüchtern fest.

    »Wie klug du bist, Kariwa«, spottete der alte Seher. »Es ist aber nur eine Fleischwunde.«
    »Aber der Verband dort ist blutig, und es scheint frisches Blut auszutreten«, stellte Awin besorgt fest.
    »Deine Fürsorge rührt mich, mein Junge«, erwiderte Curru grimmig.
    »Wir sollten nachsehen«, meinte Awin.
    »Wozu? Keiner von uns versteht sich auf das Heilen, nicht einmal diese Hexe.«
    Aber Awin ließ nicht locker. Als sie den Verband, einen schmutzigen Streifen Stoff, abnahmen, sah er, dass Curru ein kurzes Stück eines Pfeilschaftes aus dem Bein ragte. »Fleischwunde?«, fragte er trocken.
    »Säße er im Knochen, könnte ich nicht mehr laufen«, meinte Curru.
    »Er kann dort aber nicht bleiben«, erwiderte Awin.
    Der Pfeil saß nicht sehr tief. Awin konnte sogar die flache Pfeilspitze unter der Haut erahnen.
    »Wenn du ihn herausziehst, reißen mir die Widerhaken das Fleisch vom Bein, und dann werde ich sicher verbluten. Aber vielleicht ist es ja das, was du willst, mein Junge. Dann wärst du deinen alten Lehrmeister endlich los, und der Klan hätte nur noch einen Seher.«
    Awin kochte innerlich vor Wut. »Ich habe nicht versucht, einen anderen Seher zu vergiften«, rief er.
    »Vergiften? Was redest du da, mein Junge?«
    Jetzt war es Awin gleich, dass Merege zuhörte. Er konnte es nicht länger aufschieben: »Die Rabenbeeren. Vier hast du mir gegeben und selbst nur zwei genommen!«
    Curru sah ihn mit großen Augen an. »Aber, mein Junge, was redest du da? Was unterstellst du mir? Ich gab dir vier, weil ich wusste, dass es dir schwerfallen würde, diese Prüfung zu
bestehen, ja, die Reise überhaupt anzutreten! Deshalb habe ich mich notgedrungen mit nur zweien begnügt. Glaubtest du etwa, ich wollte dich vergiften? Und dann, als alle dich feierten, weil du so viel gesehen hattest, viel mehr als ich, habe ich da etwas gesagt? Habe ich deinen Ruhm geschmälert, indem ich sagte, staunt nicht, ihr Krieger, denn ich gab ihm die Mittel, die uns sehen lassen, und habe selbst verzichtet? Nein, ich ließ dir die Anerkennung, und ich war stolz, denn immerhin hast du deine Kunst von mir erlernt, auch wenn du sie noch lange nicht so gut beherrschst,

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