Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Dennoch war mein Pferd verwundet, und ich wusste, dass ich ihren Streitwagen in der Ebene nicht entkommen konnte. Mewe hat das versucht, doch weit kann er nicht gekommen sein, denn diese Wagen sind schnell, und er und sein Pferd waren schon verletzt, als ich ihn zuletzt sah. Ich versuchte mein Glück also an den Felsen, denn ich hatte bemerkt, dass die Akkesch ihre Wagen nicht dorthin lenkten. So war es auch, sie hielten Abstand, aber ihre Bogenschützen hatten noch viele Pfeile in ihren Köchern, und sie deckten mich mit einem Hagel ihrer Geschosse ein. Da tat sich zu meiner Rechten plötzlich ein schmaler Spalt in den Felsen auf. Ich lenkte mein Pferd hinein und traf zu meiner Überraschung dort auf Eri, unseren neuen Yaman, und ich erkannte, dass Tengwil uns beide am Leben lassen wollte.«
»Ist es nicht ein wenig zu früh, Eri zum Yaman zu erklären?«, platzte es aus Awin heraus.
Eri schwieg, aber sein Blick war finster. Curru schüttelte missbilligend den Kopf: »Mein Freund Aryak ist tot, ich habe es gesehen. Also ist sein einziger Sohn nun Yaman.«
»Nur wenn die Versammlung der Männer ihn bestätigt!«, widersprach Awin.
»Sie kann nicht anders, denn es gibt keinen Bewerber mit ähnlich berechtigten Ansprüchen!«, rief Curru aufgebracht.
»Dennoch muss er bestätigt werden, bevor er auf den Schild gehoben wird!«
»Willst du ihm etwa seinen Rang streitig machen, Awin, Kawets Sohn?«
Awin war aufgesprungen, aber dann winkte er ab und setzte sich wieder: »Nein, Curru, das will ich nicht. Er soll ruhig Yaman des Klans der Schwarzen Berge werden. Ich muss die Sippe ohnehin verlassen, jetzt, da ich Seher bin.«
»Bist du das? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dich geweiht hätte!«
»Dein Gedächtnis ist schlecht, Curru, aber ich weiß, was ich getan habe.«
»Lass ihn, Curru«, sagte Eri mit viel Bitterkeit in der Stimme. »Mein Klan hat so viele Männer verloren, dass es auf ihn auch nicht mehr ankommt.«
»Das bringt mich zu der Frage, wie du eigentlich entkommen bist, Eri, Aryaks Sohn«, entgegnete Awin wütend. Mit welcher Selbstverständlichkeit Eri von seinem Klan gesprochen hatte!
Eri sah ihn böse an, dann sagte er: »Diese Schlacht stand unter keinem guten Zeichen für mich, mein Schwert hat diese Hexe ja zerbrochen, und auch die Sehne meines Bogens war zerrissen, wie du weißt.«
Awin stutzte. Von einer zerrissenen Bogensehne hatte er nichts gewusst. Aber dann fiel es ihm wieder ein. Auf seiner Reise hatte er Eri am Fluss sitzen sehen, den Bogen auf den
Knien und die Sehne entzwei. Er bekam so eine Ahnung, dass Merege auch daran nicht unbeteiligt war.
Eri fuhr fort: »Ich hatte den Bogen Ebus genommen, meines Bruders, doch konnte ich nur wenige Pfeile abschießen, denn die Axt eines ihrer Streitwagenfahrer zerbrach ihn mir in den Händen. So hatte ich nur meinen Speer, der jedoch bald darauf im Leib eines Akkesch stecken blieb. Der Mann mag ihn behalten, denn diese Waffe wird vermutlich das Letzte gewesen sein, was er in diesem Leben bekommen hat. Nun hatte ich nur noch meinen Dolch und wenig Aussicht, seinen Blutdurst zu stillen, doch hätte ich sicher weitergekämpft, wenn ich nicht gesehen hätte, wie mein Vater fiel. Es sind dunkle Zeiten für die meinen und schlimme auch für den Klan. Der Yaman ist tot, wie schon meine Brüder Ebu und Ech, die die nächsten Anwärter gewesen wären. Sollte ich den Klan denn ohne Führung lassen? Ich beschloss also, zu überleben. Wie schon Curru kam ich auf den Gedanken, mich unter den Felsen zu halten, wo ihre Streitwagen nicht hinkönnen. Doch war es weit bis dorthin. Auf dem Weg traf mich ein Wurfspeer im Gesicht, und ich stürzte vom Pferd. Ohne die Kriegsmaske wäre ich vielleicht … Nun, die Akkesch hielten mich wohl für tot und beachteten mich nicht mehr, und so entkam ich in diesen Spalt. Doch waren die Wände steile und ohne Curru und sein Pferd hätte ich von dort nicht entkommen können.«
»Wurdet ihr verfolgt?«, fragte Merege kühl.
»Ich glaube nicht, wir lagen eine Weile dort auf einem hohen Felsen und haben sie beobachtet«, meinte Curru. »Dieser verfluchte Strydh-Priester hat sich nach der Schlacht mit Horket getroffen, während seine Männer noch damit beschäftigt waren, die Toten zusammenzutragen. Es war ein guter Kampf, wir haben viel mehr von ihnen getötet als sie von uns.«
»Gut?«, fuhr Awin auf. »Unser Yaman ist tot, unsere Brüder
ebenfalls. Wer soll sie ersetzen? Glaubst du, die Akkesch merken
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