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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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sich um. Auf der anderen Seite der Halle stand der schwarzgelockte Knabe in einer Tür, sah zu ihm herüber und lachte ein helles Kinderlachen. Dann drehte er sich um und lief davon. Awin unterdrückte einen Fluch und rannte los. Als er den Gang erreichte, konnte er den Jungen schon nicht mehr sehen, aber er hörte seine Schritte. Er rannte weiter. Der Gang beschrieb einen langen Bogen, und sosehr Awin sich auch beeilte, er schien dem Jungen nicht näher zu kommen. Du wirst doch noch ein Kind einholen können , schimpfte seine innere Stimme. Awin biss die Zähne zusammen und lief schneller. Irgendwann blieb er stehen. Sein Herz hämmerte in der Brust. Er lehnte sich an die Wand und rang nach Luft. Er war an einem Dutzend Kammern und Abzweigungen vorbeigelaufen, der Junge konnte längst
irgendwo abgebogen sein. Ihm gegenüber grinsten zwei Totenschädel aus der Wand. Sie waren anders als die in der Halle. Dort war säuberlich Knochen an Knochen gereiht gewesen, die Baumeister schienen sich Mühe gegeben zu haben, sie nach ihrer Größe und Form zu einem seltsamen Muster anzuordnen. Erst auf den zweiten Blick wurde Awin bewusst, dass die Knochengesichter in diesem Gang Helme trugen. Er hatte das zuerst für Sand gehalten, denn sie waren alt und ohne Glanz, aber als er genauer hinsah, erkannte er, dass es Bronzehelme waren. Jetzt sah er auch, dass dort noch mehr Knochen in der Wand steckten. Sie ragten an einigen Stellen fingerbreit aus dem gelben Stein heraus. Mit Grauen erkannte Awin, dass ganze menschliche Skelette in der Wand ruhten. Er sah Beinknochen, Hände, eine Hand schien sogar noch ein Schwert zu halten. Und daneben ragte der Rand eines großen Schildes in den Gang. Er erinnerte sich an die alten Geschichten über die Slahan, in der einst ganze Heere verschwunden sein sollten. War er auf die Überreste eines solchen Heeres gestoßen? Jetzt erkannte er auch hier und dort Teile von Brustpanzern und Beinscheinen.
    Er prallte entsetzt von der Wand zurück, an die er sich eben noch erschöpft gelehnt hatte. Auch dort ragten Knochen, Schädel und Überreste von Waffen und Rüstungen in den Gang. Ein verschwundenes Heer? Nein, die Akkesch hatten Recht - das war ein Zugang zur Unterwelt! Und er war gerade auf dem Weg hinab in ihre grauenvolle Totenstadt Ud-Sror. Vielleicht wartete am Ende dieses Ganges schon der Totengott Uo auf ihn. Awin rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Schon nach wenigen Schritten gabelte sich der Gang, was ihm auf dem Hinweg nicht aufgefallen war. Er hielt sich rechts, eine Entscheidung, die er bereute, denn wenig später fand er sich in einer Sackgasse. Er kehrte um und lief fast gegen eine Mauer, die vor einigen Augenblicken noch nicht dort gewesen sein konnte. Er
hastete in die nächste offene Kammer durch einen weiteren Gang.
    » Laufen «, hauchte die Wand, und jetzt konnte es kein Echo sein, es sei denn, es war das Echo seiner Gedanken. Awin biss die Zähne zusammen und rannte schneller. Das gelbliche Licht machte ihn ganz krank, und noch schlimmer war, dass nun immer wieder Knochen oder Schädel aus den Wänden ragten. Er war sich fast sicher, dass er in die Richtung lief, aus der er gekommen war, aber musste er dann nicht langsam aus diesem Reich der Gebeine herauskommen? Dann kam ihm ein Gedanke. Er lief weiter und hielt Ausschau nach einer steinernen Kammer. Er musste aus diesen tückischen Gängen heraus. Vor ihm wurde es dunkler - er schien gefunden zu haben, was er suchte. Richtig - ein dunkelroter Abschnitt, fester Stein und es gab einen Zugang zu einer finsteren Kammer. Gerade, als er eintreten wollte, sah er, gar nicht weit entfernt, ein Mädchen stehen. Sie war etwas älter als der Junge, hatte die gleichen schwarzen Haare und einen beinahe zerbrechlich wirkenden Körper, der mit langen blauen Schleiern verhüllt war. Das Mädchen drehte sich einmal auf der Stelle, lachte - und verschwand um die nächste Biegung. Awin war kurz davor, ihr nachzulaufen, aber er blieb, wo er war. Er hatte endlich einen Plan.
     
    Er trat in die steinerne Kammer und tastete ihre Wände ab. Es gab noch einen weiteren Zugang, der aber nach wenigen Schritten an einer matt schimmernden gelben Wand endete. Awin kehrte zurück in die Kammer. Er versuchte sich zu beruhigen. Was immer an diesem seltsamen Ort vorging, er würde Hilfe brauchen, und er wusste, wer ihm helfen konnte. Er nahm sein Sichelschwert und begann, einen kleinen Kreis in den harten Boden zu ritzen. »Dies ist der Erdkreis, mein

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