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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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sich nachdenklich über den dünnen Bart. »Hier waren Reiter. Hin und her sind sie geritten. Das können aber auch Elwah und seine Söhne gewesen sein. Der Talgrund ist hart, die Schafe haben alles zertrampelt, und ich kann nicht erkennen, wie alt die Spuren sind. Der Boden sagt, dass nicht viel mehr als eine Handvoll Reiter in diesem Tal gewesen sein können. Wären es mehr, hätte ich ihre Fährte gesehen.«
    »So können wir unsere Vorsicht aufgeben? Ich fürchte, wir finden Elwah sonst erst in der Dunkelheit.« Und wieder versuchte Awin, nicht an das Schlimmste zu denken. Die anderen Jungkrieger hatten ihre Pferde angehalten und sahen von Ferne zu, wie Awin und Mewe sich berieten. Einen Bogenschuss entfernt hatten die Yamanoi ihre Pferde angehalten.
    Mewe schüttelte den Kopf. »Du bist klug, junger Seher, und hörst, was Himmel und Erde uns sagen. Vom Kampf verstehst du aber nichts. Es ist gut möglich, dass dort nur ein einziger Mann auf uns wartet. Wenn dieser Mann aber Elwah und seine Söhne besiegt hat, muss er ein gefährlicher Gegner sein, oder nicht? Wir werden uns also vorsehen. Und jetzt weiter.«
    Mewe nickte den anderen Reitern zu, und sie ritten langsam tiefer ins Tal hinein. Awin biss sich auf die Unterlippe. Er war so stolz gewesen, als Mewe ihm Recht gegeben und seine Klugheit gelobt hatte, aber jetzt sah er ein, dass der Jäger viel umsichtiger war als er selbst. Das Grastal wurde allmählich schmaler, und der Talgrund stieg leicht an. Sie erreichten den höchsten Punkt des Tals, eine lang gestreckte, flache Kuppe. Wer im Frühjahr nach der Schneeschmelze hierherkam, fand einen kristallklaren See
vor, der das weite Tal fast bis an diese Kuppe heran ausfüllte. Jetzt, im hohen Sommer, war davon nur noch eine kleine Wasserstelle übrig.
    Awin hatte es als selbstverständlich angenommen, dass sie Elwahs Lager am Wasser finden würden. Jetzt sah er sich bestätigt. Dort unten lag der See. Schafe und Wollziegen drängten sich am Ufer und tranken. Ein einsames Pferd streunte durch das Tal. Er entdeckte die erloschene Feuerstelle - und daneben eine Ansammlung dunkler Flügel und hässlicher Köpfe, die sich um mehrere reglose Körper scharten. Sie hatten Elwah und seine Söhne gefunden. Mewe stieß einen durchdringenden Schrei aus und spannte seinen Bogen. Sein Pfeil schnellte von der Sehne und sirrte hinab ins Tal. Einer der gefiederten Aasfresser wurde aus der schwarzen Versammlung herausgeschleudert. Ein vielstimmiges Krächzen erklang, Geier und Bussarde flatterten mit misstönenden Schreien auf und erhoben sich schwerfällig in die Luft. Sie schienen unschlüssig, ob sie wirklich von ihrer Beute lassen sollten. Ein zweiter Pfeil traf einen der Vögel, der sich in der Luft überschlug und zu Boden stürzte. Es war Karak, der seinen Bogen wieder senkte. Mewe schrie noch einmal und trieb sein Pferd im Galopp zur Feuerstelle. Awin folgte ihm, und auch er schrie, so laut er konnte. Erst jetzt sahen die Aasfresser ein, dass sie ihr Mahl beenden mussten. Mit wütendem Krächzen stiegen sie in den Himmel. Mewe war an der Feuerstelle angelangt und vom Pferd gesprungen. Nach zwei schnellen Schritten blieb er wie angewurzelt stehen. Er drehte sich zu Awin um. »Sigil und Hengil dürfen das nicht sehen!«, rief er.
    Awin nickte, aber er konnte selbst kein Auge von dem Schrecklichen wenden, das dort am erkalteten Feuer wartete.
    »Schnell doch!«, drängte Mewe.
    Awin wendete seinen Falben. Die Maskenreiter waren an
der Kuppe angekommen. Das Tal lag nun völlig im Schatten. Der Himmel über den Reitern leuchtete in einer Helligkeit, die Awin unpassend erschien. Er musste seine Augen beschatten. Er sah eine ausdruckslose Reihe bronzener Gesichter, die stumm auf das Verhängnis hinabblickten, das ihre Sippe ereilt hatte. Dann tauchte eine hell gekleidete Gestalt zwischen ihnen auf - Sigil. Sie schien auf ihrem Pferd zu erstarren. Awin sah, wie der Abendwind die Staubschleier vor ihrem Gesicht leicht bewegte. Sie sah wirklich aus wie eine Braut auf ihrem Ritt zum Bräutigam. Aber nur der Tod hatte hier Hochzeit gefeiert.
     
    Ein Feuer flackerte am Ufer. Die Männer waren damit beschäftigt, Steine zusammenzutragen. Sie waren übereingekommen, Elwah und seine vier Söhne an Ort und Stelle zu begraben. Sigil und Hengil saßen am Feuer. Elwahs Frau war vorhin alleine zum Seeufer hinabgeritten. Die Maskenreiter waren zurückgeblieben. An der Feuerstelle hatte sie ihr Pferd angehalten und war abgestiegen. Dann war

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