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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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sie an die Leiche ihres Mannes herangetreten und ihm einmal mit der Hand sanft über das zerstörte Gesicht gefahren. Sie weinte nicht, und sie klagte nicht. Dann war Hengil erschienen und hatte sich weinend und wehklagend über den toten Calwah geworfen. Erst da hatte sich die Erstarrung der Krieger gelöst. Wela war dazugekommen und hatte versucht, die Frauen zu trösten. Die Männer hatten stumm danebengestanden. Selbst Curru fand keine Worte. Erst jetzt, wo das Feuer brannte und die Krieger beschäftigt waren, Steingräber für ihre fünf Waffenbrüder vorzubereiten, wich das lähmende Entsetzen allmählich. Sie waren Hakul. Der Tod ritt immer an ihrer Seite, und im Krieg blieb wenig Zeit, die Gefallenen zu betrauern. Aber der Tod hatte immer auch Folgen für die Hinterbliebenen, die bedacht werden wollten. Awin war zufällig Zeuge, als Curru in dieser Angelegenheit mit dem Yaman sprach.
    »Wie du sicher weißt, Aryak, war Elwah ein Vetter von mir. Und deshalb frage ich dich, als das Oberhaupt unseres Klans, was du zu tun gedenkst mit dem, was er hinterlassen hat - seinen Herden, seinen Pferden.«
    Der Yaman blickte ihn erstaunt an. »Tun? Nichts. Lewe ist sein Erbe, wie dir doch wohl bekannt sein wird.«
    »Der Knabe ist doch noch keine acht Winter alt. Er wird kaum für die Tiere und die Frauen sorgen können. Soweit ich es sehe, bin ich nach Lewe der nächste Verwandte Elwahs.«
    Plötzlich stand Sigil hinter dem Yaman. Sie hatte den Staubschleier abgenommen. Sie war blass, ihre Augen waren leer, aber ihre Züge so hart wie Granit. »Elwah war mein Mann, und Lewe ist mein Sohn. Glaube mir, Seher, wir sind nicht auf deine Fürsorge angewiesen und selbst in der Lage, uns um unser Eigen zu kümmern!«
    »Es ist nicht deine Entscheidung, Weib, sondern obliegt dem Yaman, in solchen Fällen den Erben und, wie es mir hier angebracht scheint, einen Vormund einzusetzen, bis Lewe alt genug ist«, entgegnete Curru ungerührt.
    Eri, der jüngste Sohn des Yamans, trat hinzu. »Wenn sie Hilfe braucht, kann sie auf uns zählen«, bot er mit großmütiger Geste an.
    Sein Vater warf ihm einen tadelnden Blick zu. Sigil drehte sich langsam zu Eri um. »Du, Yamanssohn, hast meinen Mann tot genannt, als selbst die Seher es noch nicht wussten. Von dir will ich keine Hilfe, denn mit dir reitet das Unglück.«
    Eri wurde blass. Aryak hob begütigend die Hand. »Die Frage des Erbes werden wir erörtern, wenn Elwah in der Erde ruht. Ich erkläre aber die Ansprüche von Lewe für berechtigt. Du wirst gute Gründe brauchen, Freund Curru, wenn du mich vom Gegenteil überzeugen willst.«
    Curru nickte knapp. Dann drehte er sich um und ging. Der
Yaman wandte sich an seinen Jüngsten, der - es war schwer zu unterscheiden, ob aus Betroffenheit oder Wut - ganz bleich geworden war. »Und du, mein Sohn? Hast du nichts zu tun? Es sind auch deine Freunde, die wir beerdigen müssen. Also hilf den Kriegern.«
    »Ja, Baba«, sagte Eri und stapfte davon.
    »Und du, Awin, Kawets Sohn, wirst mir, Mewe und Curru helfen, Licht in das Dunkel dieses Tals zu bringen.«
    Awin nickte stumm. Die Aufforderung überraschte ihn. Das war eine ernste Sache, keine Übung für einen heranwachsenden Seher, bei der es auf das Ergebnis nicht ankam. Er folgte dem Yaman zu der Stelle, an der Elwah und die seinen getötet worden waren. Die Hakul hatten sie mit ihren eigenen schwarzen Umhängen zugedeckt. Mewe war bereits dort. Er saß auf einem Stein und schien in tiefem Nachdenken versunken zu sein. Curru war bei ihm. Er sah noch übellauniger aus als sonst. Dass Awin mit dem Yaman zu ihnen stieß, schien seine Laune auch nicht zu bessern.
    »Nun, Mewe, Jäger unserer Sippe, was sagen dir die Spuren dieses Ortes?«, fragte Aryak.
    Mewe blickte auf. Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er langsam und bedächtig: »Es gibt hier mehr Fragen als Antworten, Yaman, und meine Gedanken enden stets an der Asche dieser Feuerstelle. Ich glaube, dass nur ein Mann Elwah und seine Söhne tötete, denn er tat es immer auf genau die gleiche Weise. Er kam wohl in der Nacht. Anak fanden wir etwas abseits von den anderen, dort, bei diesem Stein. Ich nehme an, er hatte Wache, aber ich kann keine Spuren eines Kampfes finden. Es mag daran liegen, dass das Licht schwach ist und dass die Aasfresser hier waren, aber ich glaube es nicht. Ich nehme an, Anak fühlte sich zu sicher und ist eingeschlafen, und der Fremde hatte leichtes Spiel mit ihm und ein noch leichteres mit seinen Brüdern
und

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