Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
grinsten verunsichert über diese Bemerkung, die auf seltsame Art verdeutlichte, wie unfassbar das war, was sie gerade sahen.
Curru schüttelte den Kopf. »Dieses Weib steht mit Daimonen im Bunde«, sagte er heiser, »vielleicht sollten wir sie töten, sie und ihre Brut.«
Der Yaman hatte bisher geschwiegen, jetzt sagte er ruhig: »Glaubst du nicht, dass wir uns schon genug Feinde gemacht haben, alter Freund? Nein, wir werden hinunterreiten und mit ihnen reden. Ich will hören, wie die Alte dieses Wunder erklärt.«
»Ich sehe nur einen Ochsen«, sagte Mewe.
»Noch ein Rätsel, das wir nicht lösen können, wenn wir hier nur herumsitzen und sie angaffen. Folgt mir, Hakul«, rief der Yaman und trieb seinen Rappen voran. Mit sehr gemischten Gefühlen folgte ihm Awin mit den Männern hinab zum Wasser.
»Ich grüße dich, Yaman Aryak, dich und deine Krieger«, begrüßte sie die Alte. Sie war aufgestanden und ihnen ein Stück entgegengekommen.
Ihre Ahntochter hatte die Fische am Feuer abgelegt und sah die Männer mit verschränkten Armen gleichgültig an.
»Ich grüße dich auch, Senis von den Kariwa«, begann Aryak und verstummte dann. Die Männer hinter ihm ritten in Schlachtreihe, blieben dabei aber dichter zusammen als sonst üblich.
»Hast du über mein Angebot nachgedacht?«, fragte Senis lächelnd.
»Dein Angebot?«, erwiderte der Yaman. Die unerwartete Frage überrumpelte ihn offensichtlich.
»Es gilt noch«, sagte die Bucklige. Ihr glattes Gesicht strahlte freundlich.
»Es gibt andere Dinge, über die ich nachdenken muss«, antwortete der Yaman zögernd, »zum Beispiel, wie du es vermochtest, vor uns hier einzutreffen, ehrwürdige Senis«, setzte er hinzu, und seine Stimme gewann an Festigkeit.
Die Alte legte den Kopf schief und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Ist das wirklich wichtig?«, fragte sie schließlich.
Der Yaman holte tief Luft und sagte: »Ich bin Yaman Aryak von den Schwarzen Hakul und habe das Recht auf eine Antwort. Und deshalb frage ich dich - bist du eine Zauberin, Senis von den Kariwa? Und wenn du eine Zauberin oder Hexe bist - wie sind deine Absichten? Bist du unsere Feindin?«
Senis lachte und schüttelte den Kopf. »Ich bin eine Reisende und kenne viele Wege, von denen andere nichts wissen, Yaman. Ich habe diese Wüsten schon durchquert, lange bevor du geboren wurdest. Eure Feindin bin ich nicht, es sei denn, du oder einer deiner Männer handelt unbedacht gegen mich oder meine Ahntochter. Ich biete euch aber im Namen der Hüter Schutz für die Nacht an meinem Feuer, Hakul.«
Der Yaman zögerte. Awin erriet seine Gedanken. Die Alte hatte sich auf die Hüter und damit auf das heilige Gastrecht berufen. Selbst im Lager eines Feindes hätte er sich unter diesem Schutz sicher gefühlt, aber war diese Frau überhaupt ein Mensch? Oder war sie ein Alfskrol, ein Daimon oder ein anderes unsterbliches Wesen? Nun, es hieß, auch diese Wesen achteten die Hüter. Der Yaman war zu einem Entschluss gekommen. »Im Namen der Hüter nehmen wir deine Gastfreundschaft in Anspruch. Wir danken dir für deine Einladung.«
Die Hakul sahen einander besorgt an, aber sie folgten dem Beispiel ihres Klanoberhaupts und stiegen von ihren Pferden.
»Hüter hin oder her, ich werde meinen Dolch nicht aus der Hand legen«, murmelte Tuwin, als er neben Awin sein Ross tränkte.
»Wir hätten sie gleich töten sollen, wie Curru gesagt hat«, meinte Bale flüsternd. »Jetzt ist es zu spät.«
»Ich bezweifle, dass wir es vermocht hätten«, entgegnete Tuwin ebenso leise. »Denk an das, was die junge Hexe mit Ebus Pferd angestellt hat, oben am Knochenwasser.«
»Ich habe es nicht vergessen«, murmelte Bale düster.
»Reitest du nicht sonst einen Falben?«, fragte eine helle Stimme hinter Awin.
Erschrocken fuhr er herum. Da stand Merege hinter dem Rücken seines Schecken und streichelte ihn. Sie trug silbernen Schmuck in ihrem schwarzen Haar, wie ihm erst jetzt auffiel. Alle Gespräche am Ufer verstummten.
»Falben?«, fragte Awin verwirrt.
»Dein Pferd, du erinnerst dich?«
»Doch, ja, einen Falben. Wir haben die Pferde gewechselt. Um sie zu schonen. Um den Feind einzuholen«, stotterte er.
»Vermisst du ihn?« Ihre Stimme war hell und klar, und sie war gut zu verstehen, selbst wenn sie so leise sprach wie jetzt.
»Den Feind?«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Den Falben, junger Hakul.«
»Wie? Ja. Den Falben. Ja. Er fehlt mir.«
Hinter ihm unterdrückte jemand ein Lachen. Awin
Weitere Kostenlose Bücher