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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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verloren.

Rotwasser
    ES WURDE BEREITS dunkel, als sie den Bach endlich hinter sich ließen. Curru hatte die Gebete für die Gefallenen gesprochen, aber er hatte sich kurz gefasst, und keiner der Männer opferte Mähnenhaare seines Pferdes für die Toten. Sie waren als Feinde gefallen, und es wäre nicht gut, wenn sie in der nächsten Welt zu viele Pferde ihr Eigen nennen würden.
    »Er hätte höflicher sein sollen, dann könnte er noch leben«, murmelte Tuwin beim Aufbruch. Marwi ritt neben ihm. Er war blass, seine Schulter in kühlendes feuchtes Moos eingepackt, aber er ertrug die Schmerzen tapfer.
    »Er hätte dem Fremden seine Pferde nicht verkaufen sollen, dann wäre das alles nicht geschehen«, meinte Bale nachdenklich.
    Danach wurde nicht mehr über diese Angelegenheit gesprochen. Sie ritten zunächst auf ihrer eigenen Spur zurück nach Nordwesten, ehe sie an einer Stelle, an der der Boden hart war und wenige Spuren aufnahm, in weitem Bogen nach Südosten schwenkten. Es war ein schwacher Versuch, mögliche Verfolger zu täuschen, und er kostete wieder Zeit. Auch hatten sie die Spur ihres Feindes verloren, und sie fanden sie nicht wieder. Sie ritten die ganze Nacht hindurch, und auch am Morgen gönnte ihnen der Yaman keine Rast, sondern ließ sie nur absitzen und marschieren, um die Tiere zu schonen. Allein Marwi durfte auf seinem Tier sitzen bleiben. Er litt Schmerzen, das sah man ihm an, aber er klagte nicht.
    Eri hielt sich nun am Ende des Zuges auf, denn sein Vater
hatte ihn aus dem Kreis der Yamanoi verbannt. Awin fand die Strafe gerechtfertigt, fühlte sich aber mit dem immer noch vor Zorn bebenden Knaben in seiner Nähe nicht besonders wohl. Den anderen Jungkriegern ging es ähnlich, und so blieben die gelegentlichen Scherze, mit denen sie in den vergangenen Tagen die langen Ritte erträglicher gemacht hatten, an diesem Tag aus. Selbst Isparra schien sie nun ganz zu meiden, und das war schlecht. Erst gegen Mittag erhob sich ein leichter Wind, Seweti, die Tänzerin, die in Böen Sandwirbel aus der Slahan über das Staubland schickte.
    »Besser als nichts«, meinte Mewe trocken, als ihn Awin fragte, ob das reichen würde, ihre Fährte zu verwischen. Awin blickte zurück. Windwirbel zogen über das staubige Land. Seweti war die unbeständigste unter den Winden der Slahan. Aber sie war auch gefürchtet, denn sie wechselte oft die Richtung, und deshalb war sie im Inneren der Wüste gefährlich. So mancher Reisende hatte sich durch ihr leises Hauchen, ohne es überhaupt zu merken, in die falsche Richtung locken lassen. Unwillkürlich lauschte Awin ihrem Flüstern, und wieder einmal hatte er das Gefühl, sie fast verstehen zu können. Im Frühling war Seweti stark genug, um jungen Hakul allerlei Flausen in den Kopf zu setzen, aber jetzt war sie schwach - zu schwach, um auch nur die Spur des Sgers zu verwischen. Es würde wohl darauf ankommen, wann die drei Männer vermisst werden würden. Sie waren Hirten und hoffentlich ein gutes Stück vom Lager ihres Klans entfernt gewesen. Horkets Sippe war groß, ihre Hirten mussten weit ziehen, wenn sich ihre Tiere nicht gegenseitig das Futter wegnehmen sollten. Über wie viele Krieger mochte der Heredhan gebieten? Awin hatte Curru gefragt. Der hatte missmutig geantwortet: »Sei sicher, dass ihn dieser Verlust weit weniger hart trifft als uns der unsere. Wir hätten schon dreißig töten müssen und nicht bloß drei, damit es ihn schmerzt.«

    Am Nachmittag zeichneten sich in der Ferne endlich die ersten Ausläufer des Glutrückens ab, und Seweti schenkte ihnen Rückenwind. Das beschleunigte ihr Vorankommen und hob die gedrückte Stimmung ein wenig. Sie wussten, dass dort das Rotwasser auf sie wartete und dass der Yaman sie vielleicht würde rasten lassen, bis Auryd mit seinem Sger dort eintraf.
    »Warum nennt man es das Rotwasser, Meister Mewe?«, fragte der junge Mabak den Jäger irgendwann.
    »Dieses Gewässer hat dieselbe Farbe wie die Berge, zu deren Füßen es liegt. Siehst du nicht, wie sie sich dort erheben und weit nach Süden ziehen? Und siehst du nicht ihre Farbe?«
    »Mein Großvater sagt, es ist rot, weil dort einst viele Männer erschlagen wurden«, wandte Mabak schüchtern ein.
    Mewe antwortete ungerührt: »Da mag Bale Recht haben. Es heißt ja auch, dass die Felsen rot sind, weil sie das Blut unzähliger Krieger gefärbt hat.«
    »Wirklich?«, rief Mabak erschrocken aus.
    Der Jäger lachte leise. »Nein, mein Junge, das sind nur die alten Geschichten. Es

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