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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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wurde rot.
    »Aber das hier scheint mir auch ein gutes Pferd zu sein, oder nicht?«
    »Was? Ja, der Schecke. Ja. Ein Pferd. Ich meine, ein gutes Pferd.«
    »Wirst du auch ihn vermissen?«, fragte die klare Stimme ruhig. Ihm fiel wieder die schwarze sichelförmige Zeichnung
über ihrem Jochbein auf, und er fragte sich erneut, was sie bedeutete. Ihre Frage verstand er allerdings nicht. Warum sollte er den Schecken vermissen?
    »Nein, ich meine, ja. Es ist ein gutes Tier. Ausdauernd. Sehr.«
    »Und es stottert nicht«, spottete Tuwin hinter ihm.
    Die Männer lachten, und Awin hätte sich gerne in Luft aufgelöst. Merege schenkte ihm einen letzten Blick aus ihren blassblauen Augen, dann drehte sie sich um und verschwand grußlos.
     
    Diese Begegnung am Ufer sorgte dafür, dass Awin zu einer beliebten Zielscheibe des allgemeinen Spotts wurde. Vor allem Tuwin der Schmied verstand sich hervorragend darauf, seine gestotterten Antwortversuche wiederzugeben. Curru hatte dafür nur Verachtung übrig, aber die Männer lachten; selbst Marwi, der unter großen Schmerzen litt, lächelte.
    Yaman Aryak nahm Awin irgendwann zur Seite und sagte: »Das hast du gut gemacht, Awin, Kawets Sohn.«
    Awin starrte ihn verständnislos an.
    »Du hast es geschafft, den Männern ihre Angst zu nehmen. Dafür bin ich dir dankbar, denn diese Anspannung hätte schlimm enden können.«
    »Gern geschehen«, erwiderte Awin unglücklich.
    Aber der Yaman klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Wenigstens hat sie nicht dafür gesorgt, dass du von deinem Pferd abgeworfen oder in den See gestoßen wurdest. Du bist also besser dran als Ebu, mein Ältester. Ich glaube, auch er ist dir dankbar, denn nun spotten die Männer über dich und nicht mehr über ihn.«
    Awin seufzte. Niemand hatte es gewagt, über Ebu zu spotten. Der Yamanssohn war als äußerst nachtragend bekannt. Wusste Aryak das nicht? Zu Awins Erleichterung aßen sie bald darauf am Feuer der Kariwa, und der Spott verstummte für eine Weile.
Es gab Brassen, von den Frauen mit Kräutern zubereitet, die den Hakul fremd waren. In der Gegenwart der beiden Kariwa kam die Befangenheit der Hakul zurück. Manch einer der Jungkrieger stocherte in seinem Essen, als habe er Angst, vergiftet zu werden. Auch Awin war sich zunächst unschlüssig, aber als er sah, dass Mewe, Tuwin, der Yaman und vor allem Bale mit großem Appetit aßen, beschloss er, ihrem Beispiel zu folgen. Es war die erste warme Mahlzeit seit Tagen.
    »Ihr habt eine ebenso seltsame Art zu kochen wie zu reisen, scheint mir«, sagte der Yaman, als er seinen Teller zur Seite schob.
    »Wir kochen nicht oft für Fremde, Yaman Aryak. Ich hoffe, es hat dir trotzdem geschmeckt«, entgegnete Senis mit einem verschmitzten Lächeln.
    Der Yaman nickte. »Das hat es, und ich danke dir für dieses Mahl. Erlaubst du mir, dich etwas zu fragen, ehrwürdige Senis?«
    »Frag nur, aber erwarte nicht, dass ich auf jede Frage eine Antwort weiß.«
    »Wie seid ihr hierhergelangt?«
    »Gereist«, lautete die knappe Antwort.
    Der Yaman seufzte. »Verzeih, Ehrwürdige, offenbar möchtest du dieses Geheimnis bewahren, und ich werde nicht weiter nachfragen. Doch habe ich noch eine andere Frage. Du sagtest, dass ihr auf einer Reise seid, ans Schlangenmeer, wenn ich mich recht erinnere. Was suchst du dort, so weit weg von deiner Heimat?«
    Senis sah den Yaman nachdenklich an. »Ein Kraut suche ich, eine Wurzel. Sie wächst nicht in unseren Breiten, nur weit im Süden ist sie zu finden. Und selbst da findet man sie nur an wenigen Orten, wenn stimmt, was der Maghai, der vor einigen Jahren bei uns war, über diese Pflanze gesagt hat.«

    »Ein Maghai? Ich bin noch nie einem begegnet. Man sagt, sie wissen viel über Dinge, über die wir gewöhnlichen Menschen besser nichts wissen sollten. Ich kann mir vorstellen, dass er von einer besonderen Blume berichtet haben muss, wenn ihr dafür die weite Reise auf euch nehmt, du und deine Enkeltochter. Vielleicht kenne ich sie. Wie wird sie genannt?«
    Senis sah den Yaman scharf an, dann sagte sie schlicht: »Er nannte sie die Todeswurzel.«
    Die Hakul am Feuer blickten beunruhigt auf, nicht nur wegen des Namens, sondern noch eher wegen der Art, wie die Alte ihn aussprach. Awin suchte nach einem Wort, es zu beschreiben. Schließlich fand er es: Sehnsucht . Tiefe Sehnsucht war es, die dabei in ihrer Stimme lag.
    Die Alte erhob sich plötzlich. »Verzeih, Yaman, aber ich werde mich für eine Weile zurückziehen. Der Weg hierher war

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