Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
nicht mit unserer Hilfe rechnen!«, erklärte Auryd, um dann mit schneidender Stimme fortzufahren: »Und wir sitzen hier, Harmin, weil wir beraten wollen, wie wir unseren Brüdern helfen
können, und nicht, ob wir es tun werden. Diese Entscheidung war schon gefallen, als wir auf unsere Pferde stiegen.«
»Ich habe deine Entscheidung nicht vergessen, Auryd«, entgegnete Harmin finster.
»Stellst du sie in Frage?«, fragte sein Yaman mit ruhiger Stimme.
Harmin zögerte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. »Ich bin hier, genügt das nicht als Antwort?«
»Fürs Erste soll es genügen, Harmin«, antwortete Auryd, aber Awin sah den beiden an, dass dieser Streit noch lange nicht beendet war.
Als sich Harmin wieder gesetzt hatte, begann Aryak seinen Plan zu erläutern: »Tengwil, die Große Weberin, hat unserem Seher Curru die Mauern von Serkesch in einem Traum gezeigt. Dies war das erste Zeichen, das auf diese Stadt verwies. Auch fanden wir vor zwei Tagen eine Spur des Feindes, die uns schließlich hierherführte. In den Felsen ging sie verloren, aber die Bussarde sagen, dass der Feind über die Eisenstraße nach Serkesch will. Es gibt jedoch immer wieder Anzeichen, dass sein Geist unruhig ist und er vielleicht auch ein anderes Ziel wählt. Und deshalb bat ich euch um Hilfe. Ich selbst werde mit meinen Männern nach Serkesch gehen, doch mag es sein, dass der Verfluchte noch weiter nach Süden geht, in die Salzstadt Albho. Vielleicht geht er aber auch über die Eisenstraße nach Osten und sucht bei den Viramatai Schutz. Und daher bitte ich euch, diese Wege zu verfolgen.«
»Wenn er zu den Viramatai geht, wird er sich wundern. Die Männertöterinnen sind nicht sehr freundlich zu Fremden«, meinte Tuwin.
»Es sei denn, sie haben den Lichtstein in der Hand«, gab Aryak zu bedenken. »Aber es kann auch sein, dass er nur bis zur Festung Kaldhaik-Nef geht und dort verkauft, was er geraubt
hat. Vielleicht trifft er auch auf eine Karawane, mit deren Meister er den Handel abschließt. Es gibt viele Möglichkeiten, wie ihr seht. Ginge es nur um Rache, hätten wir euch nicht gerufen, denn wir werden ihn finden, früher oder später. Doch er hat den Heolin, und der darf nicht in fremde Hände geraten.«
»Und ist sicher, dass er die Eisenstraße nimmt?«, fragte Harbod.
»Unser Seher sagt es.«
»Du sagtest selbst, die Zeichen sind nicht eindeutig, und Seher können irren«, meinte Harbod. Das war kein unberechtigter Einwand, aber der herablassende Ton war beleidigend. Curru erhob sich und baute sich vor Harbod auf. »Er wird die Eisenstraße nehmen, Hakul«, rief er aufgebracht. »Die Bussarde haben es gesagt. Und wenn du dem Seher nicht vertraust, dann frage deinen Verstand. Welchen Weg sollte er sonst nehmen?«
Harbod ließ sich von dem Zornesausbruch nicht beeindrucken. »Er könnte auf dieser Seite des Glutrückens bleiben. Einen ganzen Tag könnte er gewinnen.«
»Durch die Slahan? Am Glutrücken? Er müsste mitten hindurch durch Uos Mund. Wenn er diesen Weg wählt, ist er verloren!«
Uos Mund? Davon hatte Awin noch nie gehört. Die Worte ließen etwas in ihm anklingen. Uos Mund - er fühlte, dass das wichtig sein könnte. Er würde Mewe danach fragen, sobald diese Versammlung vorüber war. Nach einigen weiteren fruchtlosen Streitereien kamen sie allmählich zu einer Entscheidung. Man beschloss, zunächst gemeinsam bis zur Eisenstraße zu reiten. Dort würden sich die beiden Sgers trennen. Hier nun überraschte Auryd seinen Bruder mit einem großzügigen Angebot: »Wie ich sehe, seid ihr nur zwölf Männer, Bruder. Ihr werdet nicht sehr viel Eindruck machen, wenn ihr mit so kleiner
Schar vor Serkesch erscheint. Ich werde dir, wenn du es erlaubst, einige meiner Männer mitgeben, denn ich denke, ein Yaman sollte nicht mit weniger als zwanzig Kriegern vor der Stadt seiner Feinde erscheinen.«
»Ich danke dir für dieses Angebot, Auryd, und ich werde es annehmen, denn du hast Recht, seit Elwah und seine Söhne ermordet wurden, ist meine Schar klein geworden.«
»Ich hoffe, dass unseren Sger nicht das gleiche Schicksal ereilt, wenn er an eurer Seite reitet, Yaman Aryak«, warf Harmin düster ein.
Und damit gelang es ihm, das Ende des Rates noch einmal mit düsteren Vorahnungen zu überschatten.
Nur zwei Stunden Rast gönnten die Yamane den erschöpften Pferden des Fuchs-Klans, dann wollten sie los, um bis zum Abend wenigstens die Eisenstraße zu erreichen. Bevor sie aufbrachen, besiegelten die beiden
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