Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
behandeln.«
Jetzt sah Awin die beiden Streithähne. Er nahm an, dass es um irgendetwas anderes ging. Curru war sicher weder ein liebevoller Ehemann noch ein fürsorglicher Ziehvater, aber er war ein Hakul und behandelte seine Tiere gut. Awin erreichte die beiden, als der Streit schon vorbei war und Bale wütend davonstapfte. Curru grinste selbstzufrieden, offenbar hatte er sich durchgesetzt.
»Ah, Awin, was gibt es, mein Junge?«
»Ich hatte einen Traum, Meister Curru, vergangene Nacht«, platzte Awin heraus.
Der Seher runzelte die Stirn. »Und warum kommst du damit erst jetzt zu mir?«
»Ich habe es vorher versucht, Meister, doch du warst beschäftigt.«
»Nun, sicher, ich habe Besseres zu tun, als auf deine Träume zu warten, mein Junge. Hast du wieder von einem Mädchen geträumt?«
Awin verschlug es kurz die Sprache. Sie waren nur hier, weil sein Traum sie nach Serkesch sandte. Und das Mädchen an der Mauer hatte dabei nun wirklich keine Rolle gespielt. »Nein, Meister, ich träumte, ich würde im Sand versinken, verschlungen werden.« Jetzt, wo er versuchte, es zu beschreiben, fehlten ihm die passenden Worte.
»Vom Sand?«, fragte Curru.
»Ja, und da war ein Mann, ein Südländer, hager. Und ein Pferd, das im Sand unterging. Und Senis, die Kariwa, war ebenfalls dort. Ich glaube, der Fremde reitet durch Uos Mund.«
Jetzt starrte der Seher ihn an. »Sie täuscht dich«, sagte er schließlich.
»Wer?«
»Die Kariwa. Die alte Hexe zeigt dir Bilder, um dich in die Irre zu führen.«
»Aber warum mir, nicht dir, Meister?«, fragte Awin zweifelnd.
»Warum? Ist das nicht offensichtlich? Sie weiß, dass du jung und leicht zu täuschen bist. Sie weiß sicher auch, wie oft du bei diesem Ritt schon versagt hast. Sie versucht, dich zu verführen. Lass dich nicht täuschen, mein Junge!«
»Aber was hätte sie davon?«
Curru stockte kurz, dann leuchteten seine Augen: »Ich sehe es deutlich vor mir. Sie wusste, dass wir ihre Enkeltochter nicht mitnehmen würden. Da beschloss sie, sich an uns zu rächen. Deshalb will sie, dass wir durch Uos Mund ziehen, denn sie weiß, dass wir das kaum überleben würden. Ja, in gewisser Weise zeigt dein Traum dir die Wahrheit - wir würden alle im Sand elendiglich zu Grunde gehen, wenn wir diesem Traumbild folgten. Eine Hexe ist sie, wahrhaftig, wir hätten sie am ersten Abend töten sollen!«
»Aber Meister, hast du nicht selbst gesagt, dass Xlifara mit dem Feind im Bunde steht? Warum sollte er die Wüste also verlassen?«, widersprach Awin. Es war ein verzweifelter Versuch, seinen Meister umzustimmen, denn er glaubte selbst nicht an das, was er da sagte.
Curru stockte und wirkte für einen kurzen Augeblick verunsichert. Aber dann erwiderte er: »Ich sehe wieder einmal, dass du nicht viel vom Wesen der Slahan verstehst, mein Junge. Gerade weil die Gefallene Göttin mit ihm im Bunde ist, will sie, dass der Heolin ihr Reich endlich verlässt. Hat er sie nicht über die Jahrhunderte gebannt? Die Kraft des Steines ist gegen die Slahan gerichtet - sie kann nichts mit ihm anfangen.«
Er biegt es sich wieder einmal zurecht, wie er es braucht, dachte Awin. Wie konnte sein Meister nur die Widersprüche
übersehen? Serkesch lag doch auch am Rande der Wüste, wenn auch durch den Glutrücken von ihr getrennt. Warum also sollte die Slahan ihren Verbündeten dorthin schicken und nicht ans andere Ende der Welt? »Aber, Meister …«, versuchte Awin es erneut, doch Curru schnitt ihm ungeduldig das Wort ab. »Kein Aber mehr, mein Junge. Du hast die Bussarde ebenso gesehen wie ich. Der Feind ist auf der Eisenstraße. Dort werden wir ihn stellen und töten. Und nun geh zu deinem Tier. Wir werden gleich aufbrechen, und du willst doch sicher nicht der Letzte sein, dessen Pferd bereit ist, oder?« Und damit schwang sich Curru auf seinen Rotschimmel und ritt hinüber zu den Yamanen, die ebenfalls bereits aufgesessen waren.
Awin stolperte zurück zu seinem Schecken. Er war tatsächlich der Letzte. Aber was hatte Curru da gesagt? Senis wollte ihn irreführen? Wozu? Und das Bussardzeichen war wirklich eindeutig - viel eindeutiger, als Awin es bei einem der alten Sehersprüche für möglich gehalten hätte. Es sagte, eine getroffene Entscheidung sollte noch einmal überdacht werden. Sah Curru das nicht? Warum war er nur so stur? Awin war sich jetzt sicher, dass sie den Feind in der Slahan finden würden. Aber warum hatte der Südländer ihm zugesehen, als er versank? Und warum hatte er auf einem
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