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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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fragen konnte, was sie damit meinte, drehte sie sich um und kehrte zum Wagen zurück. Er sah ihr noch hinterher, als sie längst im Inneren des Wagens verschwunden war. Erstaunlich behände war sie hineingeklettert. Er betrachtete misstrauisch seine Hand. Es war nichts zu
sehen, keine Wunde, nicht der kleinste Tropfen Blut. Hatte er sich den Stich nur eingebildet? Was hatte das zu bedeuten? Und warum erzählte sie von den Riesen? Die Hakul kannten nur wenige Geschichten über diese Wesen. In keiner davon kamen sie besonders gut weg. Es waren tumbe Geschöpfe, die von klugen Hakul leicht überlistet werden konnten. Nie war davon die Rede, dass sie den Göttern geholfen hätten, diese Welt zu vollenden, nie davon, dass sie irgendwo warteten und träumten. Wusste Senis etwas über seinen Traum? Er hatte sie gesehen. Als er im Sand versank, hatte sie dagestanden und ihn beobachtet. Warum nur hatte er sie eben nicht danach gefragt? Der Traum! Er musste Curru endlich davon erzählen!
    Er ging zurück zur Feuerstelle seines Sgers, aber Curru war immer noch in Gespräche mit dem Yaman und Tuwin vertieft und vertröstete ihn auf später. Awin erwog, seinen Traum gleich vor den dreien zur Sprache zu bringen, aber dann dachte er an das, was Curru über seine schwache Bindung zum Klan gesagt und wie er ihn davor gewarnt hatte, ihm vor anderen zu widersprechen. Er hatte zwar nicht den Eindruck, dass der Yaman so verärgert über ihn war, wie sein Ziehvater behauptete, aber sicher war er sich nicht. Also entschloss er sich, das unnötige Wagnis eines offenen Streits mit seinem Ziehvater zu vermeiden und sich lieber in Geduld zu üben. Awin setzte sich zu den anderen Jungkriegern ans Feuer und wartete auf eine passende Gelegenheit.
     
    Bald darauf meldete sich Mabak mit lauten Pfiffen von seinem Posten in den Felsen.
    »Was bedeutet das?«, fragte Marwi, als er das Signal hörte.
    »Still«, beschied ihn Mewe und lauschte. Dem ersten langen Pfiff folgten zwei kurze, nach einer deutlichen Pause ein weiterer. »Zwei bis drei Dutzend Reiter«, meinte der Jäger dann, »das
ist gut.« Und als er den fragenden Blick des Jungkriegers sah, erklärte er: »Entweder sind es Auryd und seine Männer, oder Horket schickt uns weniger Männer hinterher, als er sollte.«
    Der Yaman hatte die Pfiffe ebenfalls gehört. »Auf die Pferde, Männer. Macht euch bereit zu empfangen, wen immer wir dort antreffen.«
    Binnen Sekunden waren die Krieger kampfbereit, denn sie hielten sich nicht damit auf, die Pferde zu satteln. Der Yaman sandte Mewe mit den Jungkriegern hinter einen Felsen. Sollte es wirklich Horket sein, würden sie ihm in die Flanke fallen. Er selbst nahm mit Curru, Bale und Tuwin Aufstellung am Wasser. Curru richtete die Sgerlanze auf. Laut hallte das Hufgetrappel der Ankömmlinge von den roten Felsen wider. Dann tauchten sie am Rand des Tales auf. Die Männer waren staubbedeckt, die Pferde schweißüberströmt, aber es war ein beeindruckender Anblick, als sie in vierfacher Schlachtreihe langsam und schweigend über den Hügel kamen und dort anhielten. Ein kahlköpfiger alter Kämpfer mit zernarbtem Gesicht reckte das Feldzeichen zum Gruß. Es war der Klan des Schwarzen Fuchses. Unten stand Curru und erwiderte den Gruß mit der eigenen Sgerlanze.
    »Es sieht aus, als bliebe uns ein Kampf erspart«, meinte Mewe, »auch dir, Eri, Aryaks Sohn. Nimm also den Pfeil von der Sehne. Es ist dein Onkel Auryd.«
    »Wer ist der Kahlkopf?«, fragte Tauru flüsternd.
    »Das ist Harmin der Schmied. Ein Meister seines Faches, aber auch ein Mann mit Ehrgeiz«, erklärte Mewe leise. Bevor geklärt werden konnte, von welcher Art dieser Ehrgeiz war, setzte sich ein einzelner Reiter in Bewegung. Aryak ritt ihm entgegen.
    »Ich grüße dich, Yaman Auryd - dich und die Männer vom Schwarzen Fuchs«, rief Aryak, als sie sich auf halbem Weg
begegneten. »Mögen die Hüter dich und deinen Klan segnen. Seid willkommen an unserem Feuer.«
    »Auch ich grüße dich, Yaman Aryak, und ich grüße die Krieger der Schwarzen Berge«, entgegnete Auryd förmlich. Dann sprangen sie beide vom Pferd. Awin fiel die große Ähnlichkeit auf, die zwischen den Halbbrüdern bestand. Aber er sah auch die Unterschiede: Wo Aryak Würde ausstrahlte, strotzte Auryd vor Stolz, und er wirkte so kampflustig wie sein älterer Bruder bedächtig. Nun fassten sie einander am Unterarm, wie es bei den Hakul Brauch war, und sahen sich schweigend an. Vielleicht hätten sie einander umarmt, wenn ihre

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