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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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fragte sich, ob die Hakul vielleicht auch in ihrem Innersten spürten, dass an Eris Sieg etwas faul war. Noch lobten sie die Götter, die den jungen Heredhan offensichtlich auf dem Schild sehen wollten, aber leise Zweifel mochten bei dem einen oder anderen schon erwacht sein. Als es dann allmählich Zeit für sie wurde, zur Tat zu schreiten, flüsterte Merege. »Es sind zwei, die uns beobachten.«
    Awin nickte. Er hatte die beiden Männer, die von einem benachbarten Feuer aus immer wieder zu ihnen hinüberblickten, auch bemerkt. Er hielt sie für Krieger aus Skians Klan der Dolche, und er hatte inzwischen einen Plan, sie loszuwerden. Er stand auf, nickte den Kriegern am Feuer zu und sagte:
»Wir würden gerne länger unter euch sitzen, ihr Männer, doch Kluwe hat uns gebeten, noch einmal zu ihm zu kommen.«
    »Um diese Zeit?«, fragte Blohetan erstaunt.
    »Es ist die Stunde der Seher, denn wenn die Augen nichts sehen, wird der Geist nicht geblendet«, behauptete Awin kühn. Er verabschiedete sich laut, um sicherzugehen, dass Currus Späher seinen Aufbruch auch bemerkten. Merege folgte ihm stumm, ohne sich ihre Überraschung anmerken zu lassen. Das Zelt war nicht bewacht. Wereks Männer waren fort, und offenbar fühlte sich noch kein anderer Klan für Kluwe verantwortlich. Vielleicht lag es aber auch an der Scheu, die die Hakul vor der Gabe Kluwes empfanden. Sie wagten nicht, sich aufzudrängen, sondern warteten, bis der berühmte Seher von sich aus einen neuen Klan wählte. Awin war das nur recht. Er trat ein, und Merege folgte ihm. Eine einzelne Kerze verbreitete etwas Licht. Kluwe saß in seinem Stuhl, einen knorrigen Stab in den Händen. Awin dachte zunächst, dass er schlief, doch dann bemerkte er, dass ihn der Alte aus seinen tief liegenden Augen anstarrte. Sein Sprecher lag schlafend neben ihm auf dem Fußboden. Awin blieb stehen. Er war sich unsicher, was er tun sollte. Der Alte lachte leise und winkte ihn heran. Awin trat näher und beugte den Kopf hinab. »Wenn du versagst, kann es das Ende bedeuten«, flüsterte der Alte heiser.
    Awin blickte ihn verwirrt an. Kluwe hatte so leise gesprochen, dass er nicht sicher war, ihn richtig verstanden zu haben. »Das Ende der Hakul?«, fragte er unsicher nach.
    »Das Ende der Welt«, flüsterte der Alte.
    Awin richtete sich auf. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er beugte sich wieder hinab, um noch einmal nachzufragen, aber der Alte machte eine abwehrende Handbewegung, stützte das Kinn auf seinen Stab und starrte in die Ferne.
    »Was hat er gesagt?«, fragte Merege leise.

    Awin schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er spürte nur, dass Kluwe es ernst gemeint hatte.
    »Und jetzt?«, drängte Merege.
    Awin starrte immer noch auf das Gesicht aus tausend Falten und Runzeln, das ausdruckslos in die Ferne blickte, dann riss er sich los und zog seinen Dolch.
    »Der Hinterausgang«, murmelte er.
    Es war ein Winterzelt, was hieß, dass es aus einer inneren Tuch- und einer äußeren Lederschicht bestand. Leise trennten sie die Nähte auf und schlüpften hinaus in die Nacht. Der Himmel war auf ihrer Seite, denn die dichten Wolken ließen keinen Mondstrahl hindurch. Sie schlichen hinter einer Reihe Ulmen davon. Awin konnte Currus Späher sehen, sie ließen Kluwes Zelt nicht aus den Augen.
    »Wir müssen uns beeilen, denn ewig werden sie nicht darauf hereinfallen«, flüsterte Merege.
    Stumm eilten sie am Rande des Lagers entlang. Sie versuchten, wie abgesprochen, von Osten, über den heiligen Kreis, ihr Ziel zu erreichen. Dort brannten nur wenige Feuer, und die Hakul duckten sich vor dem Regen unter ihre Kapuzen und bemerkten die Gestalten nicht, die durch die Schatten schlichen. Awin zog seinen Dolch. Sollte es zu einer unverhofften Begegnung im Dunkeln kommen, wollte er schneller sein als ein möglicher Gegner. Das Heredhanzelt war bewacht, doch die Krieger nahmen ihre Aufgabe offenbar nicht sehr ernst, denn sie hatten sich vor dem Eingang zusammengefunden, stützten sich müde auf ihre Speere und unterhielten sich leise. Licht fiel aus dem Eingang. Sie schlichen zur Rückseite des dreiteiligen Zeltes. Als Awin mit Curru in der Eingangskammer gesprochen hatte, war der Heolin nicht zu sehen gewesen. Er war vermutlich auch jetzt in einer der beiden hinteren Zeltkammern. Awin lauschte. Gespräche drangen durch die doppelte
Wand aus Leder und Tuch. Es waren mehrere Männer, die sich unterhielten. Das war schlecht. Awin näherte sich der zweiten

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