Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
darüber, dass er schon wieder Yaman genannt wurde. Er antwortete: »Nein, denn das würde uns mehr aufhalten als sie. Wir haben nicht viele Stunden Vorsprung, aber die müssen wir nutzen.«
Awin legte seine Hand auf Mereges Arm. Sie sah ihn überrascht an - es war nicht üblich, dass ein Hakul sie berührte. Das Leuchten war aus ihren Augen verschwunden, und sie sah blass aus. Awin musste daran denken, wie viel erschöpfter sie gewesen war, als sie zum ersten Mal mit ihm diesen Zauber durchgeführt hatte. Er dankte den Göttern, dass sie sich dieses Mal schneller erholt hatte. Sonst würde er jetzt vermutlich tot auf diesem Hang liegen. »Ich danke dir«, sagte er leise.
»Wofür?«, fragte sie.
»Du hast mir eben das Leben gerettet. Und du hast im Zelt nicht Eris Leben genommen.«
»Es war vielleicht ein Fehler«, erwiderte Merege kühl, »aber die beiden Krieger waren die größere Gefahr. Ich musste sie aufhalten.«
Awin nickte. »Wir sind doch hier in der Nähe des Treffpunktes, oder?«, fragte er Tuge.
Der Bogner sah ihn etwas befremdet an. Noch hatte keiner gewagt, Awin zu fragen, wie er mit Merege an diesen Ort gekommen war, aber es war natürlich noch seltsamer, wenn er gar nicht genau wusste, dass sie wirklich dort waren. Tuge antwortete: »Dort oben steht der Steinkegel, in dem der große Dornbusch Wurzeln geschlagen hat, und wenn wir über den Hügel gehen, könntest du bei etwas mehr Licht den Garam sehen, an dem wir unserer Ahnen gedachten.«
»Dann lass uns eilen, Tuge. Ich bin froh, wenn ich den Rest der Reise auf dem Rücken eines Pferdes zurücklegen kann.«
»Wie hat sie das gemacht?«, platzte Wela heraus, als sie die
Pferde zum Feuer zogen, wo die Krieger hastig ihre Sachen zusammenrafften.
»Frag sie selbst«, antwortete Awin knapp.
Aber niemand traute sich, der Kariwa diese Frage zu stellen. Es schien, als sei die Scheu vor dem blassen Mädchen mit den unheimlichen Fähigkeiten noch größer geworden.
»Ich hätte nie gedacht, dass Eri und Curru so weit gehen würden, Mörder gegen ihre eigenen Verwandten auszusenden«, sagte der Bogner niedergeschlagen.
»Ich glaube, da steckt nur Curru dahinter. Eri traue ich diese Tat nicht zu«, antwortete Awin.
»Es ehrt dich, dass du diesen Undankbaren auch noch in Schutz nimmst. Ich ahnte gleich, dass es nichts Gutes bedeuten kann, als der Schild zerbrach«, erwiderte Tuge.
Harmin mischte sich ein: »Offenbar glaubt Eri, dass er euch nicht mehr braucht. Ich hörte, dass sich ganze Sippen dem Klan der Berge anschließen wollen.«
»Uns nicht mehr braucht? Ich denke, es ist eher so, dass er jene fürchtet, die ihn an alte Zeiten und Verfehlungen erinnern«, meinte Awin grimmig.
Sie löschten das Feuer und bestiegen ihre Pferde. Dann brachen sie auf. Sie folgten dem Pfad bis zur Gabelung und bogen dort nach Osten ab. Harmin hatte sich unterwegs bei anderen Hakul erkundigt. Sie würden die Furt über den Dhurys am Morgen erreichen können. »Hoffentlich ist sie nicht bewacht«, meinte Tuge.
»Das würde keinen Unterschied machen«, entgegnete Awin. »Wir haben viel Zeit verloren, Tuge, aber ab jetzt wird es keine Umwege und kein Zögern oder Zurückweichen mehr geben. Wir haben den Heolin, und wir haben die Kariwa. Es soll nur jemand wagen, uns aufzuhalten, er würde es bereuen.«
»Du sprichst wie ein Yaman«, meinte Tuge grinsend, als sie weiter durch die Nacht galoppierten.
»Yaman oder Seher, ich muss dir leider sagen, dass ich nicht weiß, was uns auf der anderen Seite des Flusses erwartet, Tuge. Ich kenne das Land nicht, ich weiß nichts über die Hakul, die dort leben, außer, dass man sie die Eisernen nennt.«
»Oh, eine Weile werden wir noch Brüder unseres Stammes antreffen, sofern sie nicht alle im Ahnental sind. Und du hast doch unser Ziel gesehen, diese Festung, wie hieß sie noch gleich - Pursu?«
»Gesehen habe ich sie, doch weiß ich nicht genau, wo sie liegt. Wir werden jemanden brauchen, der uns dort hinführt«, entgegnete Awin.
»Das wird sich schon finden«, meinte der Bogner.
Awin hoffte, dass Tuge recht behalten würde, aber Zweifel nagten an ihm. Er hatte den Heolin, und Merege ritt an seiner Seite, doch sie waren nur dreizehn, die ausritten, um eine Göttin herauszufordern. Xlifara Slahan gebot über mächtige Winde, und sie konnte ihre Gefangenen in ein ganzes Heer seelenloser Krieger verwandeln. Er durfte gar nicht darüber nachdenken, denn dann wurde ihm klar, dass dieses Unternehmen Wahnsinn war. Und was
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