Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
liegen sollte«, sagte Uredh, »und ich denke, es wäre besser, du würdest ihn uns geben, Yaman Awin von den Dornen.«
»Wir werden nicht zulassen, dass er in die Hände des Heredhans fällt«, rief Dheryak.
»Und wir werden ihn keinem der beiden Stämme überlassen«, rief Kalya.
»Wir wissen uns und den Stein zu verteidigen«, erwiderte Uredh düster. Blohetan stand an seiner Seite und sah unglücklich aus.
»Und wenn ihr ihn hättet, Uredh, was dann?«, fragte Awin jetzt. »Werdet ihr heimreiten und euren Frauen gestehen, dass euch der Mut fehlte, gegen Slahan zu kämpfen, oder werdet ihr der Gefallenen Göttin entgegentreten?«
»Wir sind bereit, gegen sie zu kämpfen, doch nicht, wenn uns unsere eigenen Brüder in den Rücken fallen!«, rief Uredh.
Dheryak schnaubte verächtlich. Awin hob schnell die Hand, um einen erneuten fruchtlosen Streit zu verhindern. »Wenn ich es also richtig sehe, seid ihr alle hier, um gegen Slahan zu kämpfen. Ich kann verstehen, dass ihr euch nicht genug vertraut, um gemeinsam in die Schlacht zu ziehen, aber wie wäre es, wenn ihr sie zur gleichen Zeit von drei Seiten angreift?«
»Gegen die uneinnehmbare Festung marschieren? Du willst uns in einen sinnlosen Tod schicken, scheint mir«, sagte Uredh argwöhnisch.
»Nein. Ich will nicht einmal, dass ihr wirklich kämpft, denn die Krieger, die die Waffen für Slahan führen, sind doch Brüder aus unseren Stämmen und Völkern. Rückt vor, lockt die Windskrole aus der Festung - und zieht euch zurück. Mehr will ich nicht. Slahans Diener gehen nie weit von der Festung fort, und sie selbst wird die Festung nicht verlassen, nicht, bis sie die Kraft gewonnen hat, die sie dort sucht. Aber sie wird ihre Winde und Krieger senden, um euch von der Festung fernzuhalten. Sie kann die Nähe des Lichtsteins spüren und wird fürchten, dass eines eurer Heere ihn als Banner führt.
Verwirrt sie und ihre Diener. Es sind Winde. Sie sind aufbrausend und stark, aber sie sind keine Heerführer, die sich auf den Krieg verstehen. Lasst ihre bedauernswerten Krieger hin und her marschieren, bis sie müde sind. Wenn die Ablenkung gelingt, werden wir bei Einbruch der Dunkelheit mit einigen wenigen Gefährten in diese Festung eindringen, Slahan finden und besiegen.«
»Ich habe Zweifel, dass ihr sie besiegen könnt, Heolin hin oder her«, meinte Dheryak. »Ich bezweifle sogar, dass ihr auch nur in die Festung eindringen werdet. Wir haben es oft genug vergeblich versucht. Warum sollte euch mehr Erfolg beschieden sein als uns?«
»Ich hörte Gerüchte von geheimen Wegen, Yaman«, entgegnete Awin lächelnd, »und vielleicht stehen sie uns offen, wenn die ehrwürdige Prawani es erlaubt.«
Der Stellvertreter des Tiudhans sah hinüber zur Fürstrichterin. Diese zögerte einen Augenblick, dann nickte sie knapp. Awin war erleichtert. Sie würde ihnen also gestatten, die verborgenen Pfade, von denen Mahuk gesprochen hatte, zu benutzen.
»Wer ist wir ?«, wollte Uredh jetzt von ihm wissen. Er wirkte von allen Unterhändlern immer noch am misstrauischsten.
»Das sind mein Sger, Merege von den Kariwa und ich selbst. Und ich hoffe, Mahuk Raschtar, wenn er uns denn führen will.«
»Ich werde dich führen«, verkündete Mahuk, den er vorher gar nicht gefragt hatte, ruhig.
»Wenn ich dich richtig verstehe, erwartest du von uns, dass wir vor dem Feind ausreißen?«, fragte Yaman Uredh verdrießlich.
»Nun, es sind hoffentlich keine Feinde mehr, wenn Slahan erst einmal fort ist.«
»Und wenn doch?«, fragte der Yaman der Schwarzen Faust.
»Du wolltest doch eine Schlacht. Dann hast du sie«, erwiderte Awin knapp.
»Und wir müssen nicht mit den Hakul zusammen kämpfen?«, fragte Prawani Kalya.
Awin seufzte. »Ihr könnt euch hinterher wieder streiten, doch lieber wäre es mir, wir könnten wenigstens für einige Tage Frieden halten zwischen unseren Stämmen und Völkern.«
»Frieden? Niemals!«, entgegnete die Fürstrichterin entschieden, aber dann lächelte sie plötzlich und sagte: »Über einen Waffenstillstand ließe sich allerdings reden.«
Awin sah kurz zu Uredh und Blohetan, dann zu Dheryak. Die Männer zögerten, aber schließlich stimmten sie dem Vorschlag zu. Tatsächlich einigten sie sich darauf, von dieser Stunde an für volle sieben Tage und Nächte die Waffen nicht gegeneinander zu erheben. Man sandte Reiter aus, um die Heerführer darüber zu unterrichten und ihre Zustimmung einzuholen.
Das führte zu einer kurzen Verhandlungspause, und
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