Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Abordnungen, die er für ein Bündnis gewinnen wollte. Er wusste nicht, was er ihnen sagen sollte.
»Die Windskrole? Was haben sie gesagt?«, griff Merege die Frage Mahuks noch einmal auf.
»Wie? Sie haben mir nur gedroht, mich zu töten. Sie geben uns, und vor allem mir, die Schuld dafür, dass Slahan Isparra gewissermaßen ausgelöscht hat.«
»Gewissermaßen?«, fragte Merege. Wieder klang es, als müsse sie ein Kind ausfragen.
Awin riss sich zusammen: »Wenn ich es richtig verstanden habe, hat die Göttin ihr alle Macht genommen und sie Seweti geschenkt. Jedenfalls einen Teil davon.« Awin schickte sich an, sich dem Treffen mit den Viramatai und Hakul zu stellen, aber Merege hielt ihn auf. »Sie hat Isparra also nicht bloß verstoßen, sondern auch ihrer Kraft beraubt? Das kann sie?«
»Das sagte ich, ja.«
»Ich verstehe es«, sagte Mahuk. »Die Winde bleiben bei ihr. Sie müssen. Sie lässt sie nicht fort. Wie wilde Pferde an der Leine«, sagte Mahuk.
» Noch nicht fort«, erwiderte Awin nachdenklich. »Nyet sagte doch, dass sie übermorgen frei wären.«
»Dann müssen wir morgen angreifen«, folgerte Merege trocken.
Awin seufzte. Die Gedanken in seinem Kopf schwirrten durcheinander. Merege schien mehr zu wissen, als sie sagte. Er konnte es ihr ansehen. Es schien mit der Alten Kraft zusammenzuhängen. Er atmete tief durch. Welchen Nutzen konnten sie aus dem ziehen, was er erfahren hatte? Im Grunde wussten sie nicht viel mehr als vorher. Sie würden in die Festung eindringen müssen, um Slahan zu stellen, und hoffentlich wusste Merege dann, wie sie die Göttin besiegen konnten. Vielleicht wusste sie es auch jetzt schon, aber sie schwieg aus Gründen, die er nicht verstand. Er seufzte. Er hätte gern weiter über diese Dinge nachgedacht, aber da wartete noch eine andere Aufgabe auf ihn. Es galt, drei Heere daran zu hindern, gegeneinander loszuschlagen. Mehr noch, es galt, ein Bündnis aus drei Parteien zu schmieden, die einander nur durch tiefen Hass verbunden waren. Es gliche einem Wunder, wenn ihm das gelänge. Aber gerade, als er verzagen wollte, kam ihm seine Schwester Gunwa wieder in den Sinn. Sie war in der Gewalt der Göttin. Er musste einfach Erfolg haben, es war der einzige Weg zu ihrer Rettung.
Als Awin sich anschickte, endlich die Abordnungen zu begrüßen, wurde er von Tuge aufgehalten. »Hier ist jemand, der dich unbedingt sprechen will, Yaman«, sagte der Bogner. Zu Awins Überraschung war es Blohetan, der ihn etwas verlegen begrüßte.
»Ich grüße dich, ehrwürdiger Blohetan. Ich bin erstaunt, aber ich freue mich auch, dich und Yaman Uredh hier zu sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass sich Curru so eine wichtige Verhandlung entgehen ließe.«
Blohetan nickte ernst und erwiderte: »Curru hat sich bei Anbruch der Dunkelheit zu einem geheimen Ritual zurückgezogen, Yaman Awin. Er will mit seinem Geist erkunden, was
der morgige Tag uns bringen wird«, erklärte der Älteste weiter. Awin war erleichtert. Mit Curru wären diese Verhandlungen wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.
Der Älteste sagte stockend: »Ich wollte mit dir reden, um dich zu warnen. Es ist viel geschehen seit deiner Flucht, Yaman Awin. Nicht alle in unserem großen Sger, nicht einmal alle, die hier sind, sind damit einverstanden, dass wir verhandeln. Viele fordern Blut für die Toten vom Klan der Dolche. Vor allem Curru.«
»Und Eri hört nicht auf ihn?«, fragte Awin verwundert.
Blohetan zögerte, bevor er leise antwortete: »Der Heredhan ist Curru zugetan wie einem Vater, aber …«, er senkte seine Stimme noch weiter, »… er glaubt seinen Deutungen nicht mehr. Zu oft hat sich Curru geirrt, besonders, was dich und den Heolin betrifft, junger Yaman. Und deshalb hasst der Seher dich auch sehr, und er unternimmt alles, um Eris Gunst zurückzugewinnen. Fast jede Nacht vollzieht er dieses Ritual, und es wird geflüstert, dass er einige Kräuter Isgis dazu benutzt, Kräuter, die andere Seher nicht nehmen würden. Aber viel Erfolg hatte er bislang nicht, und das macht es für ihn umso bitterer.«
Awin nickte nachdenklich. Es war also wirklich sein alter Meister gewesen, dessen Anwesenheit er in Isparras Höhle gespürt hatte. »Du sagtest, dass auch viele andere Männer meinen Kopf fordern, Blohetan, und doch seid ihr hier.«
Blohetan legte ihm die Hand auf den Arm. »Du hast nicht nur Feinde unter den Schwarzen Hakul, Seher. Und ich kann sagen, dass meine Stimme beim Heredhan Gehör findet, seit
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