Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
macht er Harmin nur schlecht, weil er Streit säen will.«
»Auch das ist möglich«, gab Mahuk zu und kletterte weiter.
Vom Rücken des hohen Felsens bot sich Awin ein beeindruckendes Schauspiel. Lange Staubfahnen zeigten an, dass die Heere gegen die Festung vorrückten, und die große dunkle Sturmwolke über Pursu war in Bewegung geraten. Wie Dare es gesagt hatte, zog sie dem nächsten Feind entgegen. Das waren die Viramatai. Ihre Banner leuchteten weiß über die Ebene, und
ihre Waffen blitzten, bis sich die Sturmwolke vor die Sonne schob und alle Farben in ihrem Schatten verblassten. Hörner erklangen, und die Viramatai zogen sich schnell zurück. Der Feind folgte ihnen kurz, doch dann hielt er jäh an.
»Wind dreht«, meinte Mahuk trocken.
Tatsächlich bewegte sich die dunkle Wolke nun nach Nordosten, wo die graue Schar der Eisernen Hakul schnell heranrückte. Der Sturm nahm an Geschwindigkeit zu, stürzte sich auf die Hakul, aber die wendeten ihre Pferde und ritten davon.
»Einige dieser Männer haben zu lange gewartet«, stellte Merege kühl fest.
Awin konnte nicht erkennen, was sie meinte, aber dann schwenkte die schwarze Wolke nach Nordwesten, wo die Schwarzen Hakul von Heredhan Eri auf die Festung zuhielten. Awin sah kleine helle Punkte über die Ebene irren. Herrenlose Pferde.
»Sie wird uns nahe kommen, Yaman«, sagte Limdin besorgt, der sich zu ihnen gesellt hatte.
»Hierher nicht, junger Hakul«, beruhigte ihn Mahuk.
»Erklärst du mir deinen Plan, Yaman Awin?«, fragte Limdin. Limdin war etwa so alt wie er selbst, aber er konnte die tiefe Achtung des Kriegers für den Yaman und Seher aus den Worten heraushören.
»Der Wind ist unermüdlich, Limdin«, erklärte er, »doch ich hoffe, dass es die unglücklichen Sklaven, die für Slahan kämpfen müssen, nicht sind. Und die Windskrole sind stark, aber sie verstehen nicht viel von den Menschen. Wir wollen sie verwirren. Sie werden über die Ebene ziehen, von hier nach dort, ohne etwas zu erreichen. Sie werden die Geduld verlieren, zornig werden. Das alles kann nur zu unserem Vorteil sein. Ihre Aufmerksamkeit wird nachlassen. Und wenn es dunkel wird, können wir hoffentlich ungesehen bis zur Festung vordringen.
Unsere Verbündeten werden bei Sonnenuntergang von allen Seiten gleichzeitig angreifen. Es wird wieder nur ein Scheinangriff sein, kurz, und wie ich hoffe, ohne viele Opfer zu kosten. Denn auf beiden Seiten kämpfen doch Krieger unseres Volkes, vielleicht sogar Frauen und Kinder. Die Heere werden die Winde ein letztes Mal ablenken. Und wir sind dann schon in der Festung.«
Der Sturm wälzte sich durch einen Birkenwald. Helles Laub wurde weit emporgewirbelt. Aber als er Eris Reiter fast erreicht hatte, hielt er inne. Der Heredhan hatte seine Leute rechtzeitig zurückgezogen. Der Sturm verharrte und wälzte sich dann wieder nach Süden, dem nächsten Angriff der Viramatai entgegen. Gebannt beobachtete Awin das Schauspiel. Die wehenden Banner der Viramatai, die schnellen Reiter der Hakul. Die Heere griffen an und zogen sich zurück. Gelegentlich sandten die Reiter Pfeile in die Staubwolke, manchmal waren Krieger unvorsichtig und verschwanden im Staub, aber noch schienen sich die Verluste auf beiden Seiten in Grenzen zu halten.
»Wird sie dieses Spiel nicht irgendwann durchschauen?«, fragte Limdin.
»Ich hoffe, nicht vor Einbruch der Nacht, mein Freund«, sagte Awin. Dann bat er den Jungkrieger, sie allein zu lassen, denn er wollte sich noch einmal mit Merege und Mahuk beraten.
»Yeku sagt, dass wir dumm sind, weil wir die Rätsel nicht verstehen«, sagte der Raschtar.
»Dann soll Yeku beweisen, dass er klüger ist, und uns die Lösung verraten.«
»Das will Yeku nicht. Er denkt, dass wir dann in den Sturm gehen. Er fürchtet sich.«
»Dieser Stock ist gar nicht so dumm«, murmelte Awin.
Die seltsame Schlacht in der Ebene ging weiter. Die Zeit
verrann, und immer wieder verfolgte die Staubwolke fruchtlos eines der drei Heere. Die Sonne stand schon tief im Westen. Bald würden sie aufbrechen müssen. Und noch immer wussten sie nicht, wie sie Slahan besiegen konnten.
»Wir wissen, dass sie die Winde nicht fortlässt, weil sie ihre Stärke braucht«, sagte Merege.
»Das ist, was wir glauben, Merege, nicht, was wir wissen«, berichtigte Awin.
»Und wir wissen, dass wir sie nicht töten, aber über den Rand der Welt stoßen können«, fuhr die Kariwa fort.
»Und da ist das Rätsel mit dem Freund«, sagte Mahuk und kratzte sich
Weitere Kostenlose Bücher