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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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im Sattel straffte. Sie
hatte unmissverständlich klargestellt, dass sie ihnen den Heolin nur so lange überlassen würde, wie Awin, und nur Awin, ihn verwahrte. Also sagte er: »Es wäre aber Currus Aufgabe, die Lanze zu tragen.«
    »Ob nun du ihn trägst oder Curru …«, erwiderte Wela verständnislos.
    »Ich werde den Stein nicht aus der Hand geben«, verkündete Awin bestimmt.
    Die Schmiedin warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Ich habe das Gefühl, dass du mir etwas verschweigst, Awin Sehersohn. Ich frage mich sowieso schon die ganze Zeit, warum Eri und Curru ausgerechnet dir den Heolin überlassen.«
    »Das hat Gründe«, erwiderte Awin knapp.
    »Ein Stab«, rief Merege plötzlich. »Es wäre zu gefährlich, den Stein die ganze Zeit in der Hand zu halten, denn leicht könnte er verloren gehen, vor allem im Kampf. Doch ein starker Stab mit einer guten Fassung an der Spitze wäre vielleicht geeignet.«
    Wela schien einen Augenblick mit ihrem Stolz zu kämpfen, als sie über den Vorschlag der Kariwa nachdachte. Offenbar unterlag sie: »Ich könnte ihn auch auf deinem Schild befestigen, Awin«, sagte sie.
    Awin warf unwillkürlich einen Blick auf den kleinen Lederschild, der an seinem Sattel baumelte, dann schüttelte er den Kopf. »Bei einem Kampf wäre das nun wirklich zu gefährlich, außerdem erscheint es mir nicht … angemessen. Nein, der Einfall mit dem Stab ist gut.« Und als er sah, wie sehr sich Wela darüber ärgerte, dass er Mereges Einfall lobte, ergänzte er: »Jetzt bräuchten wir nur noch einen geschickten Handwerker, vielleicht einen Schmied, der in der Lage wäre, eine sichere Fassung für den Stein zu machen.«
    »Ohne ein Schmiedefeuer kaum denkbar«, murmelte Wela.
»Aber vielleicht sollten wir Tuge fragen, ob er etwas ganz aus Holz für dich fertigt? Nur woher nehmen in diesem kahlen Land?«
    Awin sah sich um. Es war der immer gleiche Anblick. So weit das Auge reichte, gab es nur die flachen Bodenwellen der endlosen Steppe, die weiß vom Frost in der Mittagssonne glitzerten. Außer einigen winterdürren Sträuchern wuchs hier nichts, was höher als Gras aus dem Boden ragte. Wela warf einen nachdenklichen Blick auf den Speer, den Awin am langen Lederband auf dem Rücken trug. Gregil hatte ihm die Waffe gegeben, weil sie der Meinung gewesen war, dass er als Yamanoi einen Speer brauchte. Er hatte einst ihrem Mann gehört. »Dieser Speer ist ein Geschenk der Yamani«, erklärte Awin, »außerdem ist er sowieso viel zu schlank.« Und da konnte Wela nicht widersprechen.
    Am späten Nachmittag jedoch hatten sie Glück. Der Sger hielt an einem kleinen Gewässer, einem Teich, der von einigen Weiden umstanden war. Eri und Uredh einigten sich darauf, die Nacht dort zu verbringen. Die Krieger begannen, das Eis aufzuhacken und Holz für die Feuer zu schlagen. Andere errichteten die niedrigen Kriegszelte, schlichte Lederbahnen, die in der Nacht notdürftig Schutz vor der Kälte boten. Wela, Awin und Tuge hielten dagegen Ausschau nach einem Ast, der stark genug war, ihrem Zweck zu dienen. Sie stießen auf eine Weide, in die vor einigen Jahren der Blitz eingeschlagen haben musste. Die Krone war kahl, doch auf einer Seite war der Baum noch gesund.
    »Wie angemessen«, meinte Tuge, »das Schicksal hat diesen Baum hart getroffen, so wie uns. Er hat viel von seiner Stärke verloren, doch er ist zäh und hat aus seinen tiefen Wurzeln neues Leben hervorgebracht. Hätte ich Zeit, würde ich aus seinem Holz ganz besondere Bogen fertigen. Ja, wenn diese Sache vorüber ist, kehre ich vielleicht sogar hierher zurück.«

    »Mir genügt dieser lange Ast dort, Onkel Tuge«, meinte Wela trocken. »Ich glaube, es lässt sich ein würdiger Bewahrer für den Heolin daraus schnitzen.«
    Schon am nächsten Morgen war der Stab fertig, und während die anderen Reiter sich für den langen Tag stärkten und in ledernen Eimern Eis für die Pferde schmolzen, fügten Wela und Tuge unter Mereges und Awins besorgten Blicken den Lichtstein vorsichtig in den gespaltenen Stab ein. Über dem Stein banden sie das Holz mit Lederschnüren und Bronzedraht zusammen. »Er ist keine Schönheit, Awin, das gebe ich gerne zu«, meinte der Bogner, als sie fertig waren, »doch sitzt der Stein fest. Das Leder wird noch trocknen und straffer werden, und dann kann nur rohe Gewalt den Heolin aus dieser Fassung lösen.«
    Awin nahm den Stab mit zweifelndem Blick entgegen. Er war fast so lang wie er selbst. Er schwang ihn vorsichtig hin und her, klopfte

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