Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
uns sagt man, der Regen sei der Gefährte der Einsamen«, erklärte sie und betrachtete mit einem versonnenen Lächeln die klaren Tropfen, die einzeln von ihren Fingerkuppen tropften.
    »Was hat Curru von dir gewollt?«, fragte Awin unvermittelt.
    Sie ließ die Hand sinken, und das Lächeln erlosch. »Bist du deshalb zu mir gekommen?«
    Awin nickte. Weshalb hätte er sie sonst aufsuchen sollen?

    »Er wollte etwas wissen.«
    »Und was?«, drängte Awin.
    Merege strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht. »Er fragte mich, ob ich dir oder dem Heolin folge.«
    »Das ist eine eigenartige Frage. Was hast du geantwortet?«
    »Dass ich auf keinen Fall ihm folge oder diesem Knaben, den er Yaman nennt.«
    Awin runzelte die Stirn. Das war viel weniger eindeutig, als er gehofft hatte. »Hat Curru gesagt, warum er das wissen will?«
    Merege schüttelte den Kopf. »Er hat viel geredet und wenig gesagt. Doch am Ende deutete er an, dass er mir vielleicht verschaffen könne, was ich begehre.«
    »Das hat er gesagt?«, fragte Awin ungläubig.
    »Angedeutet, Awin. Du weißt, dass er es versteht, sich unklar auszudrücken.«
    Awin blickte hinunter auf das Lager. Der Qualm der Feuer hatte sich zu einer Art beißendem Nebel verbunden. Einige Krieger waren dabei, Kluwes Zelt aufzustellen. »Ich glaube nicht, dass er dir den Lichtstein überlassen würde, Merege, selbst wenn er ihn hätte«, erklärte er und versuchte, sich seine Beunruhigung nicht anmerken zu lassen.
    »Wenn er ihn nicht mehr braucht, vielleicht schon«, lautete die kühle Antwort.
     
    Awin und viele andere hatten gehofft, sie könnten sich am Abend vielleicht in Kluwes Zelt versammeln, dem einzig trockenen Platz des Lagers, doch der alte Seher hatte unterwegs Zeichen gesehen, die es zu deuten galt, und er durfte nicht gestört werden.
    »Ich habe gehört, du hast dich entschieden?«, fragte Harmin, als sie sich am Feuer trafen.

    Awin nickte. »Ich denke, der Heredhan ist ein mächtiger Verbündeter, und er kann uns seine Unterstützung wohl kaum verweigern.«
    »Da kennst du Horket aber schlecht«, erwiderte Harmin nachdenklich.
    »Wie sollte er sich seiner Pflicht als Fürst der Schwarzen Hakul entziehen, wenn ich ihm gegenübertrete und mit dem Lichtstein in der Hand unser Anliegen vorbringe, Harmin?«
    Harmin starrte nachdenklich ins zischende Feuer. »Wenn du es so sagst, klingt es gut, Seher.«
    »Aber du hast Zweifel?«
    »Der Heolin ist ein seltsames Ding. Er selbst hat kaum Kraft, und doch verfügt er über eine Macht, die viele Kräfte anzieht. Er liegt in deiner Hand, Awin, doch viele andere Hände werden versuchen, ihn dir zu entreißen. Siehst du sie nicht? Sie umkreisen dich wie Krähen das Aas, wenn du mir den Vergleich verzeihst.«
    »Aas«, murmelte Awin bedrückt, als der Schmied gegangen war. Leider war Harmins Einschätzung zutreffend. Als Awin auf dem Hügel bei Merege gewesen war, hatte er gespürt, dass er beobachtet wurde. Und wenn er jetzt durch das Lager ging oder sich in sein kleines Zelt zurückzog, gab es immer wenigstens zwei oder drei Krieger, die in seiner Nähe irgendetwas Dringendes zu besorgen hatten. Als er noch einmal nach seinem Pferd sehen wollte, hatte ihm Blennek, der alte Krieger des Gazellen-Klans, seine Begleitung angeboten, dann aber gar nichts zu sagen gewusst. Später wurden Wachen für die Pferde abgestellt, und sie standen dicht bei seinem Braunen. Awin war längst klar, dass die Yamane fürchteten, er könne versuchen, sich aus dem Staub zu machen. Er war sich auch sicher, dass sie ihm den Lichtstein gerne weggenommen hätten, aber noch wagten sie das nicht. Ob sich die Geschichte von Yaman Brediak, der es
am Sichelsee versucht hatte, wohl auch bei den anderen Klans herumgesprochen hatte? Eine gewisse Anspannung hing über dem Lager. Die Männer schienen auf etwas zu warten, und aus ein paar halben Andeutungen schloss Awin, dass sie erfahren wollten, was Kluwe dazu zu sagen hatte. Kluwe, der als Erster von der Ankunft des Lichtsteins gewusst hatte. Hatte er nicht verkündet, dass ein junger Krieger, der kein Krieger war, ein Licht in finsterer Zeit bringen würde? Awin sah die Blicke der Männer, wenn sie einander zuraunten. Sie sprachen über ihn, das war offensichtlich. Er hätte gerne gehört, was sie sagten.
     
    Wela, deren Zorn inzwischen verraucht war, setzte sich am späteren Abend zu Awin ans Feuer. Möglicherweise war ihre Wut auf ihn auch gar nicht verflogen, sondern nur von neuem Groll

Weitere Kostenlose Bücher