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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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versucht hatte, und duckte mich unter einem anderen, der irgendeine Waffe um seinen Kopf herum schwang wie eine Sense, ohne jemanden zu treffen. Die Erkenntnis, dass hier nicht Langnases Anhänger aufeinander einschlugen, um die Ersten am Ort des Frevels zu sein, kam spät; was auf dem Tuchmarkt stattfand, war der Kampf zwischen zwei Fraktionen, und wie es schien, war die eine davon an Menschen wie an Energie drastisch unterlegen und wurde von der anderen auf den Scheiterhaufen zugedrängt.
    Friedrich von Rechberg tauchte zwei Armlängen entfernt von mir auf und schlug wild um sich. Ein Rempler brachte uns näher zusammen, Friedrich warf sich plötzlich vor mich und flog dann in meine Arme, aber der Mann, den er zu Fall gebrachthatte, verschwand unter den herandrängenden Leibern, und sein Messer, mit dem er auf mich losgegangen war, ohne dass ich ihn bemerkt hätte, wirbelte davon. Jemand holte mit einer brennenden Fackel aus und versuchte den Münzmeister zu treffen, und ich brachte meine eigene erloschene Fackel nach oben, als führte ich ein Schwert – linker Hau, rechter Hau, Ochs, Alber, Pflug, wer seine Waren über Land begleitete, beherrschte wenigstens die primitiven Techniken – ich schlug dem Angreifer die Fackel aus der Hand und das dicke, rauchende Ende meiner eigenen Waffe auf den Schädel, und er verschwand aus meinem Blickfeld. Ich hatte instinktiv gehandelt und fragte mich, ob ich noch bei Sinnen war, dem Mann zu helfen, der für das Desaster verantwortlich war.
    »Sie treiben die Juden ins Feuer!«, keuchte Friedrich.
    Wir hielten uns immer noch umklammert, als würden wir uns gegenseitig stützen. Es war kein Raum dafür da, auseinander zu gehen. Wir torkelten und taumelten und wurden zum Zielpunkt der Bewegung vorangestoßen, dem Scheiterhaufen, wie Friedrich richtig erkannt hatte. Eine Stimme kreischte in mein Ohr: »Treibt sie zurück, treibt sie zurück, lassen wir sie brennen!«, und ich spürte heftige Stöße und wütendes Gefuchtel in meinem Rücken. Ein Mann mit einem langen Prügel, den er aus dem Scheiterhaufen gezogen haben musste und dessen Ende in hellen Flammen stand, warf sich der Bewegung entgegen und schien sie aufhalten zu wollen. Er stieß und knuffte Leute in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und brüllte: »Dreh dich um und kämpfe!« und hüpfte und schien vor Wut zerplatzen zu wollen. »Zuerst die Juden, dann die Verräter!«, grölte er. »Zuerst die Juden, dann die Verräter. Zuerst die …«
    Friedrich riss mir die Fackel aus der Hand und schwang sie, aber da stürzte sich eine andere Gestalt auf den Schreihals, und ineinander verbissen gingen sie zu Boden und brachten einige zu Fall, die im Rückwärtsstolpern über sie fielen. Friedrichs Augen leuchteten aus der dunklen Markierung in seinem Gesicht hervor.Ich erhaschte einige Blicke in die Züge derer, die von den Angreifern vor sich hergetrieben wurden, das Feuer zum Ziel und sich heftig dagegen wehrend. Eine vor Panik verzerrte Fratze in Reichweite neben mir, ein offener Mund, dessen Besitzer in seiner Angst Beschimpfungen schrie … wock ! … und der Knüttel eines Dreschflegels, hinter einigen Schultern hervor ziellos geschwungen, wischte das brüllende Antlitz beiseite, und etwas Warmes, Nasses spritzte in mein Gesicht.
    »Das sind Avellinos Anhänger«, schrie Friedrich. »Sie treiben Avellinos Anhänger vor sich her.«
    Wäre meine eigene Angst um meine Lieben nicht gewesen und wären hier nicht Menschen niedergeknüppelt worden, hätte ich das Blut des Schreihalses, den der Dreschflegel niedergestreckt hatte, nicht immer noch im Gesicht verspürt, dann hätte ich in diesem Moment so etwas wie Befriedigung empfunden. So war es gewesen! Ich hatte Hass auf die anonyme Menge empfunden, die ich gesehen hatte, als ich mich auf den Weg zu Friedrich von Rechberg machte, dabei waren sie keine neugierigen Gaffer gewesen … sie hatten sich vielmehr langsam und gleichsam unmerklich zusammengerottet, immer mehr, mit einer dumpfen Wut im Bauch, dass sie von so einem Grüppchen Fanatiker seit zwei Tagen in Geiselhaft genommen worden waren … schlimmer noch, angesteckt worden waren, beinahe der faulen Magie ihres Anführers erlegen wären. Langnase hatte einen taktischen Fehler begangen, die Menge aus seinem Griff zu entlassen, um Feuerholz für den Scheiterhaufen zu sammeln, und sein zweiter Fehler war gewesen, das Feuer zu entzünden. Jeder Städter empfindet Furcht und Zorn, wenn ein allzu großes Feuer zwischen den

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