Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
als ich das Inferno über den Dächern gesehen hatte, das einmal Miechowitas Haus gewesen war. Ich hatte es geschafft, das, was von meiner Familie noch übrig war, in Janas Haus zu versammeln. Wenn es Feuer fing … ich hätte mich nicht einmal aufhalten lassen, wenn auf dem Tuchmarkt die Schlacht von Cannae getobt hätte. Ich konnte nichts dafür, dass Jana, Sabina und David vom Feuer bedroht wurden, aber mich jetzt nicht zu ihnen durchzuschlagen hätte bedeutet, sie im Stich zu lassen, und das durfte nie geschehen.
    Der Lärm war so, dass er einen halb bewusstlos machte: die Donnerschläge, die jetzt dicht an dicht kamen und aus den monströsen Trommeln klangen, die das Gewitter direkt über der Stadt aufgespannt hatte, das Glockengeläut, das fast alle Kirchen aufgenommen hatten, das unheilige Prasseln des Scheiterhaufens; das Stöhnen und Schreien des Hauses in der Sankt-Anna-Gasse, dessen Gebälk sich in den Flammen wand, das Geschrei der Wahnsinnigen an der Nordwestflanke des Platzes, die sich gegenseitig bekämpften im Versuch, mit ihren Fackeln die Ersten zu sein, die ein jüdisches Haus in Brand steckten, und ein tierisches Brüllen, das in meinen Ohren rasselte und mir nachzulaufen schien, bis ich bemerkte, dass ich es selbst ausstieß. Undeutlich wurde ich gewahr, dass Friedrich von Rechberg immer noch an meiner Seite war.
    Aus dem Flackern eines Blitzes tauchten Männer auf, die uns entgegenrannten. Sie schwangen Fäuste, Stangen, Knüppel – einer eine Mistgabel. Sie griffen uns sofort an. Ich hatte aufgehört zu denken; ich war ein sechs Fuß großes Bündel aus Angst und Wut, und ich rannte den Ersten von ihnen einfachüber den Haufen. Der Aufprall ließ mich taumeln, und ich entging dadurch einem Knüppelhieb, den der zweite Mann gegen mich führte. Ich rannte weiter. Irgendwo aus dem Arsenal der Dinge, die man allgemein in der Zeit verloren glaubt, holte ich eine Bewegung heraus, als der dritte Mann seine Holzstange wie eine Lanze zu führen versuchte … ich ergriff sie mit beiden Händen, drehte mich einwärts und führte den Stoß an meinem Leib vorbei, nutzte den Schwung und wirbelte einmal um mich selbst, und als ich die Drehung vollendet hatte, war das Gesicht des Angreifers, der immer noch seinem Stoß hinterherstolperte, direkt vor mir … und verschwand sofort wieder, als mein linker Ellbogen meinen Schwung vollendete und in seine Schläfe krachte. Ich sah nicht einmal hinter mich, wo er zu Boden ging wie ein gefällter Baum, ich wich einem weiteren Mann und dann noch einem aus, hörte sie schreien und fuchteln und sah den Burschen mit der Mistgabel, der den Abschluss machte und so schnell auf mich eindrang, dass ich keine Zeit mehr für irgendwelche Finten hatte. Die Mistgabel war nur aus Holz, doch die Spitzen waren im Feuer gehärtet, hart wie Stahl und so spitz zugehauen, wie es eben ging, und mit der Wucht der beiderseitigen Geschwindigkeit, mit der wir aufeinander losstürmten, hätte er seine Waffe in meinen Leib und durch ihn hindurchrennen können und wäre erst aufgehalten worden, wenn seine Fäuste in das Loch fuhren, das die Zinken gerissen hatten. Ich ließ mich nach hinten fallen, rutschte unter dem tödlichen Dreizack hindurch und mit gestreckten Beinen direkt in seinen Träger … er flog über mich hinweg, ließ die Mistgabel los und prallte direkt hinter mir schwer auf. Ich rollte mich ein paar Schritte weiter und versuchte, aus der Bewegung wieder auf die Beine zu kommen, doch die Kraft war verbraucht. Ich fiel wieder auf die Knie, jemand packte mich, ich versuchte einen weiteren Ellbogenstoß, da erkannte ich Friedrich von Rechberg, der aus einer Schramme an der Stirn blutete und keuchte. Er riss mich in die Höhe, zog mich voran, bis ich wieder Herr meiner Glieder war undselbst vorandrängte. Ich sah mich nicht nach den Männern um, die uns angegriffen hatten.
    Die Franziskanergasse öffnete sich zu unserer Linken. Der Galgen war ein leeres Gerüst vor dem Hintergrund des brennenden Scheiterhaufens, direkt voraus. Über das Pflaster wand sich das Rot vom Feuerschein wie vergossenes Blut, verschwand im blauen Weiß eines Blitzes und floss wieder zurück, brachte den langen Schlagschatten des Galgens wieder; wir liefen einfach darüber hinweg, und wenn es Unglück bedeutete, auf den Schatten des Galgens zu treten, dann war die Frage berechtigt, wie viel mehr Unglück noch kommen konnte. Ich sah, dass die Menschen vorn bei der Öffnung der Sankt-Anna-Gasse aufeinander

Weitere Kostenlose Bücher