Der Sohn des Tuchhändlers
Häusern seiner Stadt zu lodern beginnt. Vielleicht war es genau das Richtige gewesen, die Wache aus der Stadt zu schicken, auch wenn den Bürgermeister und den Rat andere Gedankengänge als diese dazu bewogen hatten; aber mit ihrem Verschwinden hatten die Krakauer niemanden mehr, an den sie die Aufgabe übertragen konnten, für Ordnung zu sorgen,und so sahen sie sich selbst gezwungen zu handeln. Nicht, dass all dies bewusst abgelaufen wäre – aber die schweigende, missbilligende Menge am Rand des Spektakels war größer und größer geworden, war noch während Langnases letzter Rede gewachsen, und während er (und ich) gedacht hatten, die Zuhörer in den Schatten außerhalb des Feuerscheins warteten nur darauf, dass er ihnen das Zeichen zum Losschlagen gab, hatte sie in Wahrheit der Zorn über die Lage und die Sorge um die Sicherheit ihrer Stadt aus den Häusern getrieben. Die Sicherheit ihrer Stadt – das bedeutete für diesmal auch: die Sicherheit der Juden. Der Brand der Sankt-Anna-Kirche und das elende Ende derer, die darin Asyl gesucht hatten, war doch noch nicht lange genug her; Langnase hatte dies ebenso wenig ins Kalkül gezogen wie er die Bereitschaft der Krakauer überschätzt hatte, seinem Wahnsinn hinterherzulaufen.
Und dann hatte jemand im Rathausturm einmal zur anderen Seite hinausgeschaut und entdeckt, dass das Feuer, das achtzig Jahre vorher so viele Leben gekostet hatte, wieder auferstanden schien; ob er unterscheiden konnte, dass diesmal nicht die Kirche, sondern das Haus daneben brannte, weiß ich nicht, aber er rannte los und läutete die Feuerglocke … und Langnase hielt es für ein gottgegebenes Zeichen und schickte seine Truppen los, das Judenviertel niederzubrennen … und die Krakauer stellten sich ihnen in den Weg.
Ich hörte die Kampfgeräusche um mich herum, durchmischt mit dem Lärm, den die Naturgewalten ausgossen. Ich spürte die Wärme des Scheiterhaufens in meinem Rücken. Ich sah die Panik, die sich nun auch im Gesicht Friedrich von Rechbergs ausbreitete, als er vergeblich versuchte, uns beide aus dem Getümmel herauszubringen.
Ich konnte mit dem Verhalten der Krakauer zufrieden sein, solange ich wollte, aber noch immer war meine Familie vom Feuer bedroht – und wie es aussah, geriet ich nun in die Gefahr, als Erster in das Purgatorium gestoßen zu werden.
Der Säcklergehilfe hatte das Feuer in einem der kleinen Räume im Obergeschoss von Miechowitas Haus gelegt. Wahrscheinlich war ich ein paar Mal an der Tür vorübergelaufen. Ich hätte sie nur zu öffnen brauchen; am Anfang konnte es nicht mehr als ein Glimmen gewesen sein, ein Schwelen an einem Wandbehang, und ich hätte es womöglich löschen können. Hinterher ist man immer klüger. Jedenfalls schien sich das Feuer zuerst durch den alten Holzboden nach unten gebrannt zu haben; anders konnte es nicht möglich sein, dass das Haus ein einziges Inferno war, als die Flammen endlich durch das Gebälk in den Himmel schossen und vom Rathausturm aus entdeckt wurden. Ich war dem Säcklergehilfen hinterhergestürzt, ohne mich um die Haustür zu kümmern – der gewaltige Luftzug, der dadurch entstand, hatte das Feuer noch angeheizt und das Erdgeschoss in einen Glutofen verwandelt.
Das Stück Wand, das Miechowitas und Janas Haus miteinander teilten, hatte massiv ausgesehen. Dass es das nicht war und dass niemand darüber Bescheid wusste, kann keinem zur Last gelegt werden – wer hätte auf den Gedanken kommen sollen, Untersuchungen anzustellen? Diese hätten erbracht, dass unter einem uralten Lehmputz lediglich eine hohle Bohlenwand steckte, darunter wiederum eine Schicht aus Flechtwerk auf beiden Seiten, die eine Holzkonstruktion einfasste, die wie ein großes, niedriges Tor gearbeitet war. Das Flechtwerk war ausgefüllt mit Stroh. Es ist gut möglich, dass beide Häuser zur gleichen Zeit erbaut wurden und die Erbauer einen Durchgang offen gelassen hatten, um im Verteidigungsfall einen Fluchtweg offen zu haben. Spätere Nutzer hatten den Durchgang verschlossen, aber nicht dauerhaft: Er mochte eines Tages wieder nötig sein. Das Feuer hatte ihn jedoch entdeckt, bevor ein Mensch daraus hatte Nutzen ziehen können, hatte den Lehmputz abplatzen lassen, an den Bohlen geleckt, bis diese zu glimmen begannen und die Hitze an das Flechtwerk dahinter abgaben, das Füllstroh war das Nächste, was zu brennen anfing, und irgendwann hatte dieGewalt des Feuers die Wand auseinander gesprengt, brennende Strohbüschel und glimmende Teile des
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