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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hinwies. Sie sahen weder Gestalten in den Bäumen vor ihnen noch irgendeine Bewegung. Aber Marguerida fing die Anspannung der im Hinterhalt Lauernden auf, auch wenn sie die Männer nicht einzeln unterscheiden konnte. Hier und da gab es ein paar klare Gedanken, vermutlich von kampferprobten Veteranen. War dieser Shen darunter, und konnte sie ihn eventuell entdecken?.
Und was könnte sie in diesem Fall tun? Sie wälzte in Gedanken verschiedene Einfälle, etwa ob sie die Alton-Gabe auf diese Entfernung bei jemandem anwenden konnte, dem sie noch nie im Leben begegnet war. Sie bezweifelte sehr, dass sie damit etwas bewirkte, und wahrscheinlich würde es den Angriff nicht verhindern. Es schien tatsächlich kein Entrinnen Vor der Gefahr zu geben, deshalb hörte sie am besten einfach auf, nach Auswegen zu suchen.
Zuletzt stellte sie sich wild entschlossen dem eigentlichen Problem bei ihrem Plan. Dieser hatte daheim im Kristallsaal glänzend ausgesehen, aber ihr Mann würde dabei seine unglaublichen Kräfte in einer völlig neuen Weise einsetzen – er war ein Heiler, und nun stand er im Begriff, zum Zerstörer zu werden. Sie schauderte plötzlich. Sie wollte niemanden töten, und Mikhail wollte es ebenfalls nicht!
Ein Teil von ihr hätte ihn gern von dieser schrecklichen Verantwortung entbunden und sie auf ihre eigenen Schultern geladen. Aber Marguerida wusste, das durfte sie nicht, sie mussten das Ergebnis gemeinsam tragen. Mikhail würde ihr nie vergeben können, wenn sie ihn jetzt zu beschützen versuchte. Sie musste ihn diese Sache tun lassen, die allem zuwiderlief, wofür er einstand, seit er Varzils Ring erhalten hatte.
Ihre eigenen Kräfte konnten zwar großen Schaden anrichten, aber es waren Mikhails, die den Tag letztlich entscheiden würden. Er war jetzt der Herrscher Darkovers, und das hieß, sie musste ihn tun lassen, was zu tun war, denn alles andere würde ihn entehren.
Das war wirklich ein netter Zeitpunkt, alles in Frage zu stellen, dachte sie bitter. Marguerida prüfte ihren plötzlichen Schwall ethischer Erwägungen, tadelte sich, nicht früher daran gedacht zu haben, und entschied, dass sie mit den Folgen eben würde leben müssen. Donal hatte Recht. Sollten die Götter schlau daraus werden. Das Problem war nur, dass anscheinend nie welche da waren, wenn man sie brauchte.
Dann traf sie die plötzliche Erkenntnis, dass Mikhail seinen eigenen inneren Kampf ausfocht. Wenn es für sie schon so schwer war, wie viel schwerer musste es da für ihn sein? Niemand von ihnen war blutrünstig, und die Vorstellung, die unter den Bäumen versteckten Männer zu töten, war moralisch abstoßend, auch wenn es sich um Feinde handelte. Aber sie würde die Tat vollbringen und die Folgen für ihr Gewissen ein andermal erdulden.
Dennoch, es war schwer. Marguerida zwang sich, die Dinge so zu nehmen, wie sie waren, und fühlte, wie ihr Widerstreben endlich nachließ. Ihre nagenden Zweifel blieben, aber sie brachte sie streng zum Schweigen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das kleine Gehölz, in dem der Feind wartete. Sie spürte Wachsamkeit, Angst, Aufregung und – mit kurzer Verzögerung – noch etwas. Was war es? Unentschlossenheit, befand sie endlich, bei einer unter den vielen Personen. War das Kommandant Shen? Die wenigen Informationen, die sie von Domenic bekommen hatte, machten diese Annahme wahrscheinlich. Marguerida hatte die spontane Eingebung, dieses schwache, aber wahrnehmbare Gefühl zu beeinflussen, diese unbekannte Person in eine friedfertige Richtung zu stoßen. Das wäre bei jemandem, den sie kannte, schon ein heikles Unterfangen gewesen, und beinahe unmöglich bei einem Fremden, aber sie war dennoch versucht. Wenn sie nur zu dieser Person sprechen könnte, dann könnte sie die Befehlsstimme einsetzen. Sicher wäre es besser für den Feind, wenn er sich zurückzöge, ohne den Kampf zu eröffnen – zahlreiche Leben könnten dann gerettet werden. Die Gelegenheit verstrich. Sie fühlte, wie der Fremde seine Zweifel unterdrückte, seinen Entschluss festigte und beschloss, den Befehl zu geben. „Sie greifen an, Mik“, verkündete sie ruhig.
„Bestand daran je ein Zweifel?“ Seine Stimme klang heiser vor Anspannung.
„Ja, vor einigen Augenblicken bestand einer.“ „Verdammt!“ „Ich weiß. Aber irgendwie kommen wir aus der Sache heraus …“ Dieser Tag wird alles ändern – ich spüre das jetzt ganz deutlich! Und das Schlimmste ist, ich glaube, Varzil hat es vorausgesehen. Es ging nicht nur

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