Der Sohn des Verräters - 21
war schließlich keine Schande, Negestro-Kinder zu zeugen, und jedes einzelne darkovanische Kind war überaus kostbar! Er hätte frohlocken sollen, weil er wusste, dass noch ein Kind von ihm lebte! Irgendetwas musste jedenfalls mit Illona geschehen, ob Dyan sie anerkannte oder nicht.
Marguerida seufzte. Eine Pflegefamilie wäre die nahe liegende Antwort, aber sie war sich nicht sicher, ob sie selbst noch eine Heranwachsende bei sich aufnehmen wollte. Alanna machte schon genug Schwierigkeiten, und sie hatte den Verdacht, dass ihr problematisches Mündel gewiss nicht gern mit einer Rivalin um die Zuneigung ihrer Umgebung buhlen würde.
Überdies dürfte Domenic ziemlich sicher zwischen den beiden Mädchen in der Klemme sitzen.
Sie dachte daran, was man ihr vor sehr langer Zeit gesagt hatte: „Ein nicht ausgebildeter Telepath stellt eine Gefahr für sich und seine Umgebung dar.“ Das Mädchen brauchte ebenfalls eine Ausbildung. Und zweifellos hatte Domenic mit seiner Vermutung Recht, dass Illona die Alton-Gabe besaß. Marguerida hatte das Laran des Mädchens gefühlt, und es ähnelte ihrem eigenen so sehr, dass sie ihrem Sohn glaubte. Aber sie war nicht der Ansicht, dass Arilinn ein sehr angenehmer Ort für ein Kind des Fahrenden Volks wäre. Vermutlich würde Illona nach den ersten Zurückweisungen durch andere Schüler einfach ausreißen. Nein, entweder sie nahm das Mädchen selbst in Pflege, oder sie schickte es in einen Turm wie Tramontana. Doch sich jetzt darüber Sorgen zu machen, half ihm überhaupt nicht weiter.
Gegen besseres Wissen wandte sich Marguerida wieder der Gegenwart zu. Hatten sie alle Möglichkeiten bedacht? Konnten sie und Mikhail mit der vereinten Energie ihrer beiden Matrizen genügend eigene Leute beschützen und dem Angriff Einhalt gebieten? Sie hatten versucht, die Grenzen ihres Vermögens auszuloten, und wussten, dass sie einen Pfeil mühelos aufhalten konnten. Es war eine nervenaufreibende Übung gewesen, nicht nur für sie, sondern mehr noch für den armen Gardisten, der aufgefordert wurde, mit dem Boge n nach ihnen zu zielen. Aber ob sie auch den Schuss aus einer terranischen Waffe abwehren konnten, war eine ganz andere Frage.
Es war wirklich schade, dass die Befehlsstimme eine so begrenzte Wirkung hatte und über hundert Fuß hinaus nicht mehr zuverlässig funktionierte. Sie hatten beschlossen, ihren Einsatz nicht zu riskieren, da sie Freund wie Feind gleichermaßen beeinflusste, während alle Personen außerhalb des Wirkungskreises weiter nach Belieben schalten und walten konnten.
Marguerida drehte sich im Sattel um und blickte nach hinten. Sie sah Dom Francisco ein paar Pferdelängen hinter sich reiten und dachte daran, dass Kate ihr geraten hatte, ihn im Auge zu behalten. Dann wandte sie sich wieder nach vorn und strengte ihren Entfernungssinn bis aufs Äußerste an. Sie hatte es bereits einige Male getan, aber diesmal wurde sie mit der schwachen Wahrnehmung geistiger Energie etwa eine Meile voraus belohnt. Sie konnte allerdings auf diese Entfernung keine Individuen unterscheiden oder etwas Nützliches in Erfahrung bringen.
Du hältst dich gut, Caria.
Danke für die Aufmunterung. Ich habe das Gefühl, jeden Moment zu explodieren.
Du siehst wirklich wie ein Kessel kurz vor dem Kochen aus, – aber ein sehr hübscher Kessel.
Ich hätte nie gedacht, dass man auf so liebevolle Art mit einem Topf verglichen werden kann! Sie ritten einige Minuten in einträchtigem Schweigen und hingen jeweils ihren eigenen Gedanken nach.
Mutter!
Ja, Domenic.
Ich kann diesen Vancof jetzt hören. Er ist nicht mit den Übrigen zusammen, sondern sitzt in einem Dickicht, von wo er uns kommen sieht. Vermutlich ein Beobachtungsposten. Er scheint ein bisschen von der Größe unsres Zuges überrascht zu sein und wird langsam unruhig. Er überlegt, ob er sich zurückziehen und der Hauptgruppe Bescheid geben oder ob er bleiben soll, wo er ist. Vor allem hätte er gern etwas zu trinken, und er ist sehr besorgt, hauptsächlich um seine eigene Haut. Er wünscht, er hätte sich schon vor Tagen aus dem Staub gemacht, er hätte keine Befehle und Granfell wäre tot – ein großes Durcheinander an Gedanken. Hmm … mir scheint, es gibt da eine Uneinigkeit.
Uneinigkeit?
Er denkt an einen Streit von gestern Nacht, zwischen Granfell
und dem Kommandeur der Soldaten aus den Hellers, einem gewissen Shen. Es wird nicht ganz klar, aber es kann sein, dass dieser Shen mit Befehlen hierher geschickt wurde, die ihm nicht
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