Der Sohn des Verräters - 21
gefallen, oder vielleicht missfällt ihm auch die ganze Situation. Tut mir Leid, dass ich es nicht deutlicher beschreiben kann, aber Vancofs Gedanken sind nicht sehr scharf. Ein Teil von ihm wäre überall lieber als hier, aber der Rest will unbedingt herausfinden, was passieren wird. Es ist, als wäre er von Unentschlossenheit und Neugier zugleich gelähmt.
Vielleicht ist dieser Shen ehrenwerter als Granfell und hält es nicht für richtig Zivilisten anzugreifen.
Ich glaube, es hat mit der Art seiner Befehle zu tun. Kann sein, dass er nur nicht bei etwas erwischt werden will, wofür ihn die Föderation bestrafen würde. Ich wünschte, ich könnte es dir genauer sagen.
Du hast schon sehr viel getan. Danke, mein kleiner Spion.
Marguerida räusperte sich, verärgert darüber, wie angespannt sie war und erzählte Mikhail und Danilo Syrtis-Ardais, der rechts von ihr ritt, was sie soeben in Erfahrung gebracht hatte. Die beiden Männer gaben ihr Halt, wie auch die massigen Gestalten der Gardisten um sie herum. „Gut, das zu wissen“, sagte Danilo nur.
„Ich würde viel dafür geben, wenn ich genau erfahren könnte, welcher Art diese Befehle waren. Falls wir die ganze Geschichte je entwirren können.“ „Wie meinst du das, Mik?“ Es tat Marguerida gut zu reden und half ihr, die Anspannung abzubauen.
„Wer hat diese Befehle gegeben? War es Granfell oder Belfontaine?“ „Wieso ist das wichtig?“ „Ich glaube, Mikhail meint, wenn Granfell das Sagen hatte, kann Belfontaine hinterher behaupten, er habe von nichts gewusst. Aber wenn Belfontaine selbst die Befehle gab und es kommt heraus, dann sitzt die Föderation ernsthaft in der Klemme.“ Danilo sprach sehr langsam, als würde ihm selbst erst beim Reden alles klar.
„Ich verstehe nicht, welche Rolle das spielen soll, wenn die Föderation Darkover ohnehin verlässt“, entgegnete Marguerida in scharfem Ton.
„Vielleicht verlässt. Und wenn sie es nicht tun? Es wird so oder so schwer zu erklären sein – von unserer Rolle bei der ganzen Sache gar nicht erst zu reden.“ Marguerida zuckte die Achseln. Sie wollte sich keinesfalls neue Sorgen aufladen lassen. „Sie haben uns den perfekten Vorwand geliefert – der Trauerzug wurde von Banditen überfallen, die dabei ums Leben kamen.“ „Hoffentlich. Aber wir müssen damit rechnen, dass es sich die Föderation vielleicht anders überlegt und beschließt, wir hätten sie irgendwie provoziert.“ „Halt. Wir können jetzt nicht anfangen, alles von vorn zu überdenken, Mikhail”, sagte Danilo empört. „Lasst uns nur lebend aus der Sache herauskommen, über das Ergebnis können wir uns später den Kopf zerbrechen.“ Donal, der links von Mikhail ritt, lachte überraschend. „Du meinst: Lasst sie uns alle töten, die Götter werden schon wissen, wofür es gut war?“, fragte er.
„So ungefähr“, erwiderte Danilo und schaute ein wenig verlegen drein ob dieser unverblümten Aussage.
Die Gardisten in der Nähe grinsten plötzlich, es schien, als hätte ihnen der junge Friedensmann aus der Seele gesprochen. Leises Gelächter erhob sich, und die düstere Stimmung hellte sich für einen Augenblick auf. Alle schienen wie befreit durchzuatmen, bevor sie wieder in ihre gespannte Wachsamkeit verfielen.
Mikhail warf Donal einen Blick zu, in dem sich Zustimmung und Besorgnis mischten. Er rutschte im Sattel hin und her und richtete die Augen auf seine Frau. Mir kommt alles so unwirklich vor, als ob …
… als ob wir in einem alten Gedicht wären, Liebster? „Ins Tal des Todes ritten die Sechshundert …“ Das ist es! Ich bin einfach nicht darauf gekommen, es hat mich wahnsinnig gemacht.
Aber das hier ist kein Gedicht, und wir reiten nicht ins Tal des Todes. Das hier ist alles sehr real. Heute werden Menschen sterben, und es wird nicht im Geringsten poetisch sein. Marguerida spürte den Ernst ihrer Gedanken und den Konflikt darunter.
Woher …?
Ich sah kurz ein Bild von Leichen aufblitzen, aber ich weiß nicht, wessen Leichen. Ich weiß nur, dass weder du noch Domenic darunter wart.
Und du?
Ich glaube kaum, dass ich nichts von meinem eigenen Tod erfahren hätte, auch wenn ich nur sehr wenig sah. Marguerida weigerte sich, über die Möglichkeit nachzudenken, dass sie in ihrer Vision tot gewesen sein könnte, ohne es selbst zu merken. Das war zu beängstigend.
Sie hatten sich dem wartenden Feind inzwischen bis auf eine Viertelmeile genähert, wenngleich nichts außer dem Schweigen der Vögel auf etwas Ungewöhnliches
Weitere Kostenlose Bücher