Der Sohn des Wolfs
verhungert – und so weiter, und sie hatten das Gold nicht verlassen können und waren, jeder auf seine Weise, hier gestorben. Und das unnütze Gold, das sie gesammelt hatten, lag wie ein Traum auf dem Boden der Hütte ausgestreut.
Aber dieser Mann, den ich so weit geführt hatte, hatte eine feste Seele und einen klaren Kopf. ›Wir haben nichts zu essen‹, sagte er, ›und wir wollen nur das Gold sehen und finden, wo es herkommt. Und wieviel dort sein mag. Dann wollen wir schnell weggehen, ehe es uns in die Augen sticht und uns den Verstand stiehlt. Wenn wir es so machen, können wir später mit mehr Proviant wiederkommen und alles in Besitz nehmen.‹ So sahen wir denn die große Ader, die durch die Wand der Grube ging, wie eine richtige Ader es tun soll; und wir maßen sie und folgten ihr von oben nach unten, teilten die Mine ein und schalmten die Bäume an, um unser Besitzrecht zu bezeichnen. Dann kletterten wir mit Knien, die uns vor Hunger und Krankheit zitterten, und mit Herzen, die uns bis in den Hals hinauf schlugen, zum letztenmal den mächtigen Fels hinauf und machten uns auf den Heimweg.
Das letzte Stück trugen wir Unga zwischen uns, und wir fielen oft, aber schließlich erreichten wir das Depot. Und seht, dort war kein Proviant. Ich hatte meine Sache gut gemacht, denn er glaubte, die Vielfraße hätten es getan, und er verfluchte sie und seine Götter in einem Atemzug. Aber Unga war tapfer und lächelte und legte ihre Hand in die seine, so daß ich mich abwenden mußte, um mich zu beherrschen. ›Wir wollen uns bis morgen am Feuer ausruhen‹, sagte sie, ›und wir werden Kräfte aus unsern Mokassins gewinnen.‹ So schnitten wir denn den obersten Teil unserer Mokassins in Streifen und kochten sie die halbe Nacht, um sie kauen und verschlingen zu können. Und am Morgen besprachen wir unsere Aussichten. Bis zum nächsten Depot waren es fünf Tagesmärsche. Wir konnten es nicht erreichen, wir mußten Wild finden.
›Wir wollen weitergehen und jagen‹, sagte er.
›Ja‹, sagte ich, ›wir wollen weitergehen und jagen.‹ Und er bestimmte, daß Unga beim Feuer bleiben und ihre Kräfte schönen sollte. Und wir gingen weiter, er, um Elche zu jagen, ich zu dem Depot, das ich heimlich errichtet hatte. Aber ich aß nur wenig, damit ich ihnen nicht zu stark erschien. Und als er nachts zum Lager zurückkehrte, fiel er oft hin. Und ich tat auch, als ob ich sehr schwach wäre, und stolperte über meine Schneeschuhe, als ob jeder Schritt mein letzter sein könnte. Und wir stärkten uns mit unsern Mokassins.
Er war ein großer Mann. Seine Seele hielt seinen Körper bis zum letzten Augenblick aufrecht. Und keine Klage kam über seine Lippen, außer um Ungas willen. Am nächsten Tage folgte ich ihm, damit ich sein Ende nicht verfehlte. Und er legte sich oft nieder, um auszuruhen. In dieser Nacht wäre es fast mit ihm aus gewesen; am Morgen aber fluchte er mit schwacher Stimme und ging wieder fort. Er war wie ein Betrunkener, und ich dachte oft, daß er fertig wäre; aber er hatte die Kraft des Starken, und seine Seele war die eines Riesen, denn er trug seinen Körper den ganzen mühseligen Tag. Und er schoß zwei Schneehühner, wollte sie aber nicht essen. Er brauchte kein Feuer; sie bedeuteten das Leben; aber er dachte nur an Unga und kehrte zum Lager zurück. Er ging nicht mehr, sondern kroch auf Händen und Füßen durch den Schnee. Ich trat nahe zu ihm und las den Tod in seinen Augen. Selbst jetzt war es noch nicht zu spät, von den Schneehühnern zu essen. Er warf die Büchse fort und trug die Vögel wie ein Hund im Munde. Ich schritt aufrecht neben ihm. Und in den Augenblicken, wenn er sich ausruhte, sah er mich an und wunderte sich, daß ich so stark war. Ich konnte es sehen, obwohl er nicht mehr sprach, und obwohl seine Lippen sich bewegten, brachte er doch kein Wort heraus. Wie gesagt, er war ein großer Mann, und mein Herz sprach für Milde; aber ich las in meinem Leben und erinnerte mich der Kälte und des Hungers in dem endlosen Wald am Russischen Meere. Und dazu war Unga mein, und ich hatte einen unermeßlichen Preis in Fellen, Booten und Perlen für sie bezahlt.
Und so kamen wir durch den weißen Wald, dessen Schweigen schwer wie feuchter Nebel auf uns lag. Und die Geister der Vergangenheit erfüllten die Luft um uns her; und ich sah den gelben Strand von Akatan und die Kajaks, die vom Fischfang heimkamen, und die Häuser am Rande des Waldes. Und die Männer waren da, die sich zu Häuptlingen
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