Der Sohn des Wolfs
und er wies nach Süden. Ich machte ihm Zeichen, daß ich mit ihm gehen wolle; zuerst lachte er, da er aber Männer brauchte, nahm er mich an Bord. So lernte ich, auf ihre Art zu reden, Segel zu heißen und bei plötzlichen Windstößen zu reffen und am Rade zu stehen. Aber das war mir nicht fremd, denn das Blut meiner Väter war das von Seefahrern.
Ich hatte gedacht, es sei leicht, den zu finden, den ich suchte, wenn ich erst zu seinem eigenen Volke gekommen wäre; als wir aber eines Tages Land in Sicht bekamen und durch eine schmale Fahrrinne von der See in einen Hafen gelangten, dachte ich wohl, so viele Schoner zu sehen, wie Finger an meinen Händen waren, aber meilenweit lagen die Schiffe, dicht gedrängt wie viele kleine Fische, an den Kais, und als ich unter sie ging, um nach einem Manne mit einer Mähne wie ein Seelöwe zu fragen, lachten sie und antworteten mir in vielen Sprachen. Und ich merkte, daß sie in den fernsten Teilen der Welt zu Hause waren.
Ich ging in die Stadt, um das Gesicht jedes Mannes zu sehen, aber sie waren wie Fische, wenn sie in dichten Scharen über die Bänke ziehen, und ich konnte sie nicht zählen. Und der Lärm drang so lange auf mich ein, bis ich nicht mehr hören konnte und mir der Kopf von dem Getümmel schwindelte. Ich ging immer weiter durch Länder, die im warmen Sonnenschein sangen, wo die Ernte reich auf den Feldern lag und wo es große Städte gab voller Männer, die wie Frauen lebten mit falschen Worten im Munde und mit Herzen, die schwarz von Golddurst waren. Und unterdessen jagte und fischte mein Volk auf Akatan und war glücklich in dem Gedanken, daß die Welt klein sei.
Aber der Blick von Ungas Augen, als sie vom Fischen heimkam, begleitete mich stets, und ich wußte, daß ich sie finden würde, wenn die Zeit gekommen war. Sie wanderte durch stille Gassen in der Abenddämmerung oder lockte mich über die fruchtbaren, von Morgentau feuchten Felder, und es war ein Versprechen in ihren Augen, wie nur Unga es geben konnte.
So wanderte ich durch tausend Städte. Manche Menschen waren freundlich und gaben mir zu essen, andere lachten und wieder andere verfluchten mich. Aber ich hielt meine Zunge im Zaum, ging merkwürdige Wege und sah seltsame Dinge. Zuweilen arbeitete ich, ich, ein Häuptling und der Sohn eines Häuptlings, für Männer – Männer, die roh sprachen, hart wie Eisen waren und aus dem Schweiß und dem Kummer ihrer Kameraden Gold schmiedeten. Aber noch hörte ich kein Wort von denen, die ich suchte, bis ich wieder zur See zurückkehrte wie eine Robbe zu den Paarungsplätzen. Aber es war ein anderer Hafen in einem andern Lande, das im Norden lag. Und dort hörte ich von dem gelbhaarigen Seefahrer und erfuhr, daß er Robbenjäger war und sich gerade jetzt weit fort auf dem Ozean befände.
So fuhr ich denn auf einem Robbenschoner mit den faulen Siwashs und folgte seinem spurlosen Pfad nach Norden, wo die Jagd damals im Gange war. Und wir waren Monate voller Mühsal fort, sprachen manche Flotte an und hörten viel von den wilden Taten dessen, den ich suchte; nicht ein einziges Mal aber kamen wir ihm auf dem Meere nahe. Wir fuhren nach Norden bis zu den Pribyloffs, töteten die Robben herdenweise am Strande und schafften ihre warmen Körper an Bord, bis unsere Speigatten von Speck und Blut troffen und kein Mann an Deck stehen konnte. Da wurden wir von einem langsamen Dampfer gejagt, der mit großen Kanonen auf uns schoß. Aber wir setzten Segel, bis die Seen über Deck spülten und es rein wuschen, und verloren uns im Nebel.
Es heißt, daß gerade zu der Zeit, als wir mit Furcht im Herzen flohen, der gelbhaarige Seefahrer nach den Pribyloffs kam und die Faktorei überfiel. Ein Teil von seinen Leuten hielt die Angestellten der Kompanie in Schach, während die andern zehntausend frische Felle aus dem Salzhaus holten. Ich sage, es heißt so, aber ich glaube es, denn während ich die Küsten entlangreiste, ohne ihm zu begegnen, hallten die nordischen Meere wider von den Erzählungen seiner Verwegenheit und seines Mutes, bis die drei Nationen, die dort Land besaßen, mit ihren Schiffen Jagd auf ihn machten. Und ich hörte von Unga, denn die Kapitäne sangen laut ihr Loblied, und sie war immer bei ihm. Sie hätte die Bräuche seines Volkes gelernt, sagten sie, und sie sei glücklich. Aber ich wußte es besser – ich wußte, daß ihr Herz sich nach ihrem eigenen Volke an der gelben Küste Akatans sehnte.
Dann, nach langer Zeit, kam ich zu dem Hafen zurück, der
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