Der Sokrates-Club
wahr sein sollte.
Wir scheinen also zum gleichen Ergebnis zu kommen wie Platon im Theaitetos-Dialog: Wissen ist eine wahre und zugleich wohlbegründete Meinung. Nicht jede wahre Meinung ist Wissen, da nicht jede wahre Meinung wohlbegründet ist. Allerdings endet der Theaitetos-Dialog mit dem rätselhaften Hinweis, dass wir uns auch mit diesem Ergebnis nicht zufriedengeben können. Anhand des Schiffsbeispiels, das wir im Gespräch mit den Kindern ausgeführt haben, kann man sehen, dass epistemische Rationalität und Wahrheit noch nicht Wissen garantieren. Ich habe einen guten Grund, anzunehmen, dass das Schiff pünktlich ankommt, das ist die epistemische Rationalität. Das Schiff kommt tatsächlich pünktlich an, meine Annahme ist also wahr, dennoch zeigt sich im Nachhinein, dass ich in dieser Situation, entgegen dem Anschein, nicht wissen konnte, dass das Schiff pünktlich ankommt. Die von Paul Gettier aufgeworfene Problematik zeigt, dass der Wissensbegriff nicht nur objektive Wahrheit voraussetzt, sondern überdies objektiv gute Gründe. Die Wahrnehmung des Schiffs war ein subjektiv, aber kein objektiv guter Grund, da es sich um ein falsches Schiff handelte.
Es gibt, wie gewöhnlich in der Philosophie, ganz unterschiedliche philosophische Positionen zu dieser Problematik. Prominent ist zum Beispiel die kausale Theorie, der entsprechend es auf die richtige kausale Relation zwischen der Tatsache, die ein Grund ist für eine Person, und der Überzeugung ankommt. Im Schiffsbeispiel ist diese kausale Relation nicht gegeben. Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Schiff, das nachher anlegt, und der Überzeugung, dass es anlegen wird. Ich mache mir diese erkenntnistheoretische Position schon deshalb nicht zu eigen, weil der Prozess der Meinungsbildung im Ganzen kein kausaler ist. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Gründe eine logische und keine kausale Rolle spielen. Wir wägen Gründe gegeneinander ab, und es steht nicht von vornherein fest, welches Ergebnis diese Abwägung haben wird. Wären Gründe lediglich Teil einer Kausalbeziehung, stünde schon vor ihrer Abwägung fest, was wir an ihrem Ende glauben oder tun. Wären Gründe lediglich Elemente eines kausalen Prozesses, müssten sie sich auch vollständig mit den Mitteln der Naturwissenschaften beschreiben lassen, denn es ist der Anspruch der Naturwissenschaften, kausale Prozesse vollständig beschreiben und erklären zu können. Tatsächlich sind jedoch alle Versuche, Gründe auf Ursachen zurückzuführen, bislang gescheitert. Lassen wir dieses philosophische Rätsel einmal auf sich beruhen. Zunächst gilt: Wissen ist wahre und zugleich wohlbegründete Meinung. Nicht immer reichen, wie Paul Gettier gezeigt hat, die beiden Bedingungen, (1) wahr zu sein und (2) wohlbegründet zu sein, aus. Jedenfalls dann nicht, wenn wir das » wohlbegründet« aus der Perspektive der Person und nicht von einem externen, objektiven Standpunkt aus beurteilen.
»Na ja, aber er hat ja nicht gesagt, dass er nicht im Kühlschrank ist, also hat er ja nicht so richtig gelogen.«
Wahrhaftigkeit
Die Regel der Wahrhaftigkeit verlangt von uns, dass wir nur das behaupten, von dem wir selbst überzeugt sind. Ich bin wahrhaftig, wenn ich das sage, was ich selbst glaube. Eine Äußerung kann daher wahrhaftig sein, ohne wahr zu sein. Irrtum kommt vor. Wenn ein Kind glaubt, dass es keine Hausaufgaben zu machen hat, und dies mitteilt, dann ist es wahrhaftig, auch wenn es sich geirrt hat und tatsächlich Hausaufgaben zu erledigen sind. Wahrhaftigkeit einer Äußerung impliziert nicht ihre Wahrheit. Die Wahrheit einer Äußerung impliziert nicht, dass sie ein Wissen zum Ausdruck bringt.
Wenn ich mich in einer bestimmten Frage nicht irre, dann allerdings impliziert eine unwahre Aussage, dass ich unwahrhaftig bin. Angenommen nun, ich irre nicht und sage die Wahrheit, bin ich dann auch wahrhaftig? Das folgende Beispiel zeigt, dass dies nicht notwendigerweise der Fall ist.
Angenommen, Sie fragen Ihr Kind, wo die Schultasche ist, und es antwortet: Sie hängt in der Garderobe oder sie liegt im Wohnzimmer. Angenommen, es wusste, dass die Schultasche im Wohnzimmer liegt, das heißt, es irrte sich nicht hinsichtlich der Frage, wo sich die Schultasche befindet. Die Schultasche liegt im Wohnzimmer. Wenn die Schultasche im Wohnzimmer liegt, dann ist allerdings die Aussage: Sie hängt in der Garderobe oder sie liegt im Wohnzimmer– wahr. Oder-Aussagen, das, was in der Logik als »
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