Der Sokrates-Club
fordern in dem Sinne, dass unsere Äußerungen nicht nur unseren Überzeugungen entsprechen, also wahrhaftig sind, sondern auch der Realität. Wir können uns manchmal irren, aber diese Irrtümer dürfen nicht zu häufig auftreten, weil wir sonst keine verlässlichen Beziehungen zwischen Sprache und Welt entwickeln könnten und Kinder keine Sprache lernen würden.
» Weil die doch nicht wussten, dass das falsch war!«
Wissen und Wahrheit
Unser Wissensbegriff ist eng an den der Wahrheit gekoppelt. Wenn eine Person weiß, dass etwas der Fall ist, weiß, dass p, dann ist p wahr. Versetzen wir uns ins 14. Jahrhundert. So gut wie alle Menschen waren davon überzeugt, dass die Sonne um die Erde kreist und nicht umgekehrt. Der Blick in den Himmel bei Tag und bei Nacht schien diese Auffassung zu bestätigen. Die Sonne geht am Morgen auf und am Abend unter, der Mond geht auf und wieder unter, die Gestirne kreisen, alles kreist um die als ruhend gedachte Erde im Mittelpunkt. Das entsprach der kirchlichen Lehrmeinung und einem christlichen Weltbild, nach dem Gott alles so eingerichtet hat, dass es dem Menschen dienlich ist. Diese Überzeugung stützte sich also auf Erfahrungen, den Blick in den Himmel also, und auf Autoritäten. Die Überzeugung war in diesem Sinne wohlbegründet. Ein Zweifel an dieser Überzeugung schien unbegründet, unvernünftig zu sein. Die sogenannte kopernikanische Revolution des Weltbildes bestand gerade darin, dass nun die Sonne im Mittelpunkt steht und die Erde einer ihrer Planeten ist, die die Sonne umkreisen. Siebenschlaue wenden hier ein, dass ja weder das eine noch das andere richtig ist, dass vielmehr Sonne und Erde sich umeinander drehen, das heißt genauer gesagt um den Schwerpunkt, der allerdings ziemlich nah am Sonnenmittelpunkt liegt. Das hilft jedoch nicht, diese Revolution kleinzureden. Das, was feste Überzeugung war, nämlich dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht, Sonne, Mond und Gestirne sich um diesen Mittelpunkt drehen und der Mensch über die Erde herrscht, wird durch den Wechsel zum heliozentrischen Weltbild erschüttert.
Dieses Beispiel macht den engen Zusammenhang zwischen dem Wahrheits- und dem Wissensbegriff deutlich. Obwohl die Überzeugung, dass die Erde im Mittelpunkt steht und sich die Gestirne um diesen Mittelpunkt drehen, wohlbegründet war, war sie falsch, und damit kann man nicht mehr sagen, dass der Astronom des 14. Jahrhunderts wusste, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Er war davon überzeugt, und er hatte für diese Überzeugung gute Gründe, aber da diese Überzeugung falsch war, handelt es sich nicht um Wissen. Da sich die physikalische Theorie, die wir zur Erklärung des Phänomens heranziehen, dass sich die Erde wie die anderen Planeten um die Sonne dreht, gut bewährt hat, hilft uns die Physik, also die Wissenschaft, in dieser Frage ein hohes Maß an Gewissheit zu erlangen, auch wenn die präzise physikalische Beschreibung der Sachlage natürlich viel komplexer ist. Die beliebte Formulierung, was einmal Wissen war, wird zum Irrtum, ist also streng genommen Unsinn. Wenn etwas einmal Wissen war, dann bleibt es Wissen. Man kann allenfalls sagen: Was einmal als Wissen galt, stellt sich schließlich als Irrtum heraus.
Wissen ist, wenn man von etwas überzeugt ist, das wahr ist, und ich außerdem gute Gründe für diese Überzeugung habe.
Gründe und Wahrheit
Halten wir fest: Wenn etwas gewusst wird, dann ist es wahr. Wenn x weiß, dass p, dann ist p wahr. Aber nicht immer, wenn x eine wahre Überzeugung hat, handelt es sich um Wissen. Wenn Hans von seiner Tochter am ersten Schultag gefragt wird: Wie viele Kinder sind in meiner Klasse? Und Hans antwortet: 27, dann wusste Hans nicht, wie viele Kinder in der Klasse sind, auch dann, wenn die Klasse tatsächlich 27 Kinder umfasst. In diesem Fall hat er geraten, und das Geratene stellt sich als richtig heraus. Es war nicht einmal eine Vermutung, denn für Vermutungen gibt es Gründe. Für die Anzahl von 27 Kindern gibt es keine Gründe, die Hans angeben könnte. Wissen setzt Wahrheit voraus, Wahrheit ist aber nicht ausreichend für Wissen.
Damit wir ein Wissen zuschreiben, damit wir sagen können, Hans wisse, dass p, ist es erforderlich, dass p nicht nur wahr ist, sondern dass Hans auch gute Gründe hat, die für p sprechen. Andernfalls wäre die Überzeugung, dass p der Fall ist, unbegründet, und schon deswegen, weil diese Überzeugung unbegründet ist, handelt es sich nicht um Wissen, auch wenn p
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