Der Sokrates-Club
Misshandlungen durch Erwachsene.
Die voll entwickelte, moralische Persönlichkeit sagt nicht immer die Wahrheit. Menschen, die immer die Wahrheit sagen, sind im sozialen Umgang unerträglich. Das Mittel der Wahl ist in der Regel nicht lügen, sondern schweigen. Bei der richtigen Gelegenheit zu schweigen, muss ebenfalls gelernt sein. Die Wahrung der eigenen Integrität, die Entwicklung einer vertrauenswürdigen und verlässlichen, einer wahrhaftigen Persönlichkeit folgt nicht dem simplen Kriterium: Sage immer die Wahrheit, teile deine Überzeugungen jedem mit! Es ist Zeichen von Distanzlosigkeit, die eigenen Überzeugungen ungefragt anderen mitzuteilen. In manchen Fällen ist eine angemessene Distanz nur dadurch zu wahren, dass man nicht die Wahrheit sagt und doch seine moralische Integrität wahrt. Es scheint mit eines der wichtigsten Erziehungsziele zu sein, Kindern und Jugendlichen diese Feinheiten des Umgangs mit der Realität und den eigenen Überzeugungen nahezubringen, sie urteilsfähig zu machen. Die philosophische Analyse kann dabei schon in frühen Jahren helfen.
3. Freiheit und Verantwortung oder: Warum wir nicht alles dürfen, was wir wollen
Heute sind wir in der Oberföhringer Volksschule, einer anderen Münchner Grundschule. Wir werden von der Redakteurin Frau Rohm in das Untergeschoss geleitet, in dem sich zwei Klassen versammelt haben, eine erste Klasse und eine vierte. Die Kinder sitzen hier, anders als in der Gebeleschule, im Kreis.
Wie ist das? Dürfen wir alles tun, was wir wollen?
Sofort gehen ein paar Kinderhände in die Höhe.
» Nein, das dürfen wir nicht!«, sagt ein Mädchen mit kurzen blonden Haaren.
Und warum nicht?
» Weil man blöde Sachen machen will«, sagt ein kleiner Junge mit einer roten Kappe vorschnell und fügt dann leiser hinzu, » also nur manchmal halt …«
Was denn für Sachen?
» Na ja, Klingelstreiche oder so was.«
» Oder Fenster einschlagen!«, sagt ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren. » Das dürfen wir auch nicht«, dann senkt sie die Augen. » Das ist mir nämlich mal passiert, da hab ich mit meinem Bruder Fußball gespielt und das Fenster von der Frau Grashuber eingeschmissen, aber ich hab’s nicht absichtlich gemacht.«
Warum dürfen wir eigentlich keine Fenster einschlagen?
Die Klasse murmelt empört.
» Das geht doch nicht. Die Fenster gehören doch jemandem, und das, was einem anderen gehört, kann ich nicht einfach so kaputtmachen.« (Mehr wissen)
Wir dürfen also nicht alles tun, was wir wollen, wenn wir damit zum Beispiel das Eigentum anderer Menschen beschädigen.
» Außerdem ist es verboten«, sagt ein Junge mit einem grünen Hulk-T-Shirt, » da kann man ins Gefängnis kommen.«
» Also, ich hab mal einen Klingelstreich gemacht«, meldet sich ein Mädchen mit einem langen braunen Zopf, » und dann hat mir das nachher total leidgetan. Ich glaube, man fühlt sich selber nicht so gut, wenn man mit Absicht ein Fenster einschlägt.«
» Genau«, pflichtet ihr Nachbar, ein kleiner Junge mit kurz geschnittenen Haaren und einer Augenklappe, bei, » wenn jemand einem anderen das Auto klaut oder so, der kann doch nachts bestimmt nicht schlafen. Der liegt dann da und macht sich Vorwürfe.«
Die Kinder nicken nachdenklich, vielleicht stellen sie sich vor, wie ein Dieb nachts im Bett liegt und Gewissensbisse hat.
Wir sollten also manches nicht tun, was wir gerne tun würden, weil wir sonst Gewissensbisse bekämen?
» Nicht nur deswegen, sondern eigentlich, weil es verboten ist!«, ruft ein Junge energisch dazwischen.
Reicht es, dass etwas verboten ist? Dürfen wir nur das tun, was nicht verboten ist?
Die Kinder denken nach. Dann meldet sich ein Junge mit blonden Haaren.
» Also, Kinder schlagen ist, glaube ich, nicht verboten, aber man darf es trotzdem nicht.«
Und warum nicht?
» Na ja, weil es gemein ist. Ein Erwachsener hat ja viel mehr Kraft als ein Kind, und der kann dem Kind dann voll wehtun!«
» Und Klingelstreiche sind blöd, weil sich die Omas vielleicht ganz schrecklich angestrengt haben, um die Treppe herunterzugehen, und dann sind sie unten an der Haustür und es ist niemand da. Und sie sind vielleicht auch enttäuscht, weil sie sich auf einen Besuch gefreut hatten und so«, sagt ein kleines chinesisches Mädchen mit langen schwarzen Haaren.
» Außerdem können sie dann auch auf der Treppe hinfallen und sich wehtun!«, fügt ihre Nachbarin hinzu.
Das sind alles sehr gute Beispiele, aber wenn man einen Grund formulieren
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