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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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meinen, wenn wir sagen, dass ein Mensch oder eine Handlung » menschlich« ist. Hier geht es nämlich um die Bewertung einer Handlung. Die Frage, ob eine Handlung gut ist. Also müssen wir sagen, das menschlich zu sein oder menschlich zu handeln bedeutet, gut zu handeln.
    Die Kinder nicken.
    Wann würdet ihr sagen, geht es nicht menschlich zu?
    Die Kinder überlegen kurz, dann schnellen Hände in die Luft.
    » Also mein Cousin und meine Cousinen, die leben in Israel, und mein Onkel ist mal Bus gefahren, und da ist jemand mit einer Bombe dringesessen und hat die dann hochgehen lassen. Da wäre er fast gestorben. Das ist voll unmenschlich!«
    Die Kinder verziehen ihre Gesichter, manche schauen ungläubig.
    » Oder wenn manche nicht nett zu ihren Kindern sind, also auch die Lehrer manchmal, dann ist das auch nicht menschlich«, sagt ein kleiner Junge mit blondem Haar.
    Dann meldet sich ein brasilianischer Junge: »Früher, da gab es einen Kaiser oder König oder so, und der war voll fies zu den Menschen. Und ich glaube, irgendwann hat er sogar eine Stadt angezündet oder so, also das finde ich schon unmöglich. Das ist doch nicht menschlich!«
    » Meine kleine Schwester«, sagt ein kleines Mädchen mit dunklen glatten Haaren, » die kann manchmal so fies sein. Gestern hat sie mir all meine Glitzerstifte geklaut, und dann ist sie echt unmenschlich mit mir!«
    » Und mein Bruder, der war so gemein, der hat mich mal mit Schlamm beworfen!«
    » Und meiner hat meine Legoraumschiffstation zerlegt und das Raumschiff in die Lasagne getan!«
    Wir sind bei einem Lieblingsthema der Kinder angelangt: die Streitereien mit den Geschwistern.
    Wünscht ihr euch manchmal, weniger zu streiten?
    Die Kinder nicken. Manche rufen: » Ja, klar!«
    Man könnte sagen, weil es menschlicher wäre, sich nicht zu streiten?
    Ein Mädchen mit Kringellocken nickt. » Also immer menschlich sein ist auch unmenschlich«, sagt sie ernst.
    Das kann gut sein. Aber trotzdem bleibt Menschlichkeit für uns ein Ideal, also etwas, was wir nicht unbedingt immer haben, aber nach dem wir streben.
    Die Stunde ist um. Die Kinder stehen auf und strecken sich. Diese Stunde hat sie gefordert. Manche kommen und sagen uns noch leise Dinge, die sie nicht vor allen anderen sagen wollten. Dann gehen sie in den Pausenhof.

Menschlichkeit
    Unsere Vorstellung von Menschlichkeit beruht auf einem Selbstbild, das uns oft nur teilweise bewusst ist. Sozialdarwinisten sehen den Menschen in einer biologischen Ordnung, in der es um Vorteile bei der Fortpflanzung, die Unterdrückung von Konkurrenten und die Verdrängung konkurrierender Arten geht. Materialisten meinen, dass menschliches Verhalten auf Prozessen beruht, die von unseren Bestrebungen, Wertungen und Überzeugungen unabhängig sind. Humanisten meinen dagegen, dass es eine besondere menschliche Fähigkeit gibt, sich von guten Gründen leiten zu lassen, Rücksicht auch dort walten zu lassen, wo die eigenen Interessen entgegenstehen, und Menschen unabhängig davon, ob sie derselben Nation, Gemeinschaft oder Weltanschauung angehören, gleichermaßen fair zu behandeln.
    Können wir uns darauf einigen, dass es menschlich ist, Absichten zu haben und Ziele zu verfolgen …?
    Was ist menschlich?
    Philosophen haben die Frage » Was ist menschlich?« als die nach der conditio humana verstanden: Was ist das besondere Bedingungsgefüge menschlicher Existenz? Die Antworten stützen sich dabei nicht lediglich auf empirische Sachverhalte, wie sie die biologische Anthropologie erforscht, vielmehr bringen diese Antworten auch eine normative Einstellung zum Ausdruck, wie Menschen leben sollten. Aus der Vielfalt der Eigenschaften der menschlichen Spezies werden dementsprechend in der philosophischen Tradition solche hervorgehoben, die unser Selbstbild in besonderer Weise prägen sollten. Aristoteliker betonen die Befähigung zur praktischen Vernunft, andere die besondere menschliche Fähigkeit des Mitleidens, der Hilfsbereitschaft und der Solidarität. Kantianer setzen auf die rationale Einsicht, die Achtung vor dem Sittengesetz, als Antrieb menschlichen Handelns, Humeaner sind dagegen der Auffassung, dass es keine Möglichkeit gibt, den eigenen Wünschen entgegenzuhandeln.
    Humanismus als Denkbewegung
    Die humanistische Denkbewegung hat in Europa ihren Ursprung in der griechischen Klassik. Aber auch in anderen Kulturkreisen, etwa dem konfuzianischen und dem buddhistischen, gibt es verwandte anthropologische und ethische Traditionen. Die

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