Der Sokrates-Club
nicht mehr mag, sondern nur mich, und dass ich Lilian sagen soll, dass wir nicht mehr mit ihr spielen wollen. Aber dann war ich traurig, weil ich mich erinnert habe, wie das war, als Hannah mich ausgegrenzt hat. Und als ich zu Hause war, hab ich deswegen geweint. Also, ich glaube, niemand ist glücklich, wenn er ausgegrenzt ist.«
Glaubt ihr, jemand ist glücklich, wenn er jemanden ausgeraubt hat und dann ans Meer fährt und dort Urlaub macht?
Die Kinder schütteln den Kopf.
» Nee, der hat doch dann ein schlechtes Gewissen. Der kann gar nicht mehr glücklich sein.«
» Ich hab mal heimlich die Mandelsplitter meiner Mama weggegessen. Die haben schon gut geschmeckt, aber ich war danach gar nicht glücklich«, sagt das Mädchen mit den grünen Augen leise.
Platon meinte das auch. Der sagte sogar, dass es besser sei, Unrecht zu erleiden, als Unrecht zu tun. Glück bedeute vor allem, eine schöne, eine harmonische und gerechte Seele zu haben. Könnt ihr euch vorstellen, was das heißt, » eine schöne Seele«? (Mehr wissen)
» Vielleicht ist das einer, der gerne teilt!«, sagt ein Junge, der in einer Ecke sitzt.
» Ja, und keine Schimpfwörter benutzt!«, sagt ein anderer.
» Oder einer, der niemanden ausgrenzt«, sagt ein Mädchen in der ersten Reihe.
» Ich glaube, Achill war auch nicht glücklich«, sagt plötzlich der Junge mit der Trachtenjacke, » weil er doch gar nichts dafür konnte, dass er so unverwundbar war.«
Und jetzt eine Frage für euch zum Mitnehmen: Was könntet ihr tun, um glücklicher zu sein?
» Ich könnte meiner Schwester nicht mehr sagen, dass sie mich nervt. Dann wäre sie nicht sauer, und wir würden uns nicht mehr streiten.«
» Und ich könnte einfach so tun, als würde ich den Kuscheldino im Blumentopf nicht mehr sehen.«
Es klingelt. Die Sitzung ist vorüber und damit auch unsere Zeit an der Gebeleschule. Zwei Kinder holen einen Blumenstrauß, und zwei andere überreichen stolz ein großes Poster, auf dem die Kinder und wir zusammen abgebildet sind.
» Zum Andenken an unser gemeinsames Philosophieren«, sagt eines der Kinder.
Uns hat es Spaß gemacht, sagen wir.
» Uns auch«, antworten ein paar der Kinder. Dann klatschen alle.
Auf dem Nachhauseweg werfen wir einen Blick zum Engel. Er hat eine blaue Schiebermütze quer übers Gesicht gezogen. Man könnte meinen, dass er uns zum Abschied zuzwinkert.
Glück
Die antike Philosophie beschäftigte sich über Jahrhunderte intensiv mit dem Thema » Glück«, mit der Frage, was ein gutes, ein gelungenes Leben ausmacht, in welchem Verhältnis Gerechtigkeit und Wohlergehen zueinander stehen, ob ein glückliches Leben eher in der Abgeschiedenheit oder im politischen Engagement zu realisieren ist. Das Thema » Glück«, die Frage der eigenen Lebensgestaltung, beschäftigt Menschen bis heute intensiv, aber die moderne Philosophie hat sich von diesen Fragen abgewendet. Manche meinen, dass wir die antike Philosophie systematisch missverstehen, weil wir die unterschiedlichen Theorien der Philosophen nicht mehr in erster Linie als Anleitung zum guten Leben interpretieren, so zum Beispiel Pierre Hadot in seinem Buch Philosophie als Lebensform. In der Tat sind die Antworten auf die Frage nach dem Glück der antiken Philosophie reichhaltiger und vielgestaltiger als die der Moderne. Daher seien im Folgenden einige Thesen antiker Philosophen zum Glück aufgegriffen.
»Ich glaub, das ist, wenn man sich gut fühlt!«
Glück in der Antike: Hedonismus
Der griechische Ausdruck für Glück ist eudaimonia – » eu« heißt » gut«, und » daimon« ist wörtlich übersetzt » Dämon«– Geist. Ursprünglich dominierte die Vorstellung, dass Glück in äußeren Gütern bestünde: Reichtum, Kraft, Schönheit. Auch in unserem Gespräch mit den Kindern schwingt diese ursprüngliche Bedeutung deutlich mit. Auch in einer Formulierung wie » Glück gehabt« geht es um äußere Umstände, nicht erwartete, günstige Ereignisse. Ein erster Schritt der Rationalisierung ist der Übergang zu einem hedonistischen Glücksverständnis. Demnach bestimmt der innere Zustand, wie man sich fühlt. Meist wird Epikur als bedeutendster Vertreter des » Hedonismus« angesehen.
Epikur hatte jedoch eine weitaus komplexere und anspruchsvollere Theorie menschlichen Glücks als die Hedonisten der Moderne. Demzufolge sind es vor allem die Unerschütterlichkeit der Seele, die ataraxia, die beständige Sorge um die eigene Gesundheit, der vertraute Umgang mit Freunden und der
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