Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
schon wieder einer an diesem verdammten Antik-Herd verschmurgelt war. Bis dann die Ältere, Jessica, sich erbarmte und ihr wortlos das Gewünschte aus der Kommode holte.
»Hey, du weißt hier ja besser Bescheid als ich«, sagte Monica daraufhin und rang sich ein Lächeln ab.
Doch Jessicas mitleidlosen Blick erweichte sie damit nicht. »Das liegt vielleicht daran, dass wir schon immer hier gewohnt haben«, bemerkte Jessica. »Florence wurde sogar in diesem Zimmer geboren, gleich hier auf dem Boden. Mummy hat unheimlich geschrien, und Daddy durfte die Nabelschnur durchschneiden.«
Monica erstarrte, Mürbteig zwischen den Fingern, und sah gebannt auf die Dielen am Fenster. Seither konnte sie nicht mehr auf diese Stelle treten.
Sie hatte es mit Peters Töchtern wirklich versucht, sich alle Mühe gegeben, doch die Spannungen blieben und waren nicht nur an den Wochenenden spürbar, sondern auch unter der Woche, wenn die Kinder bei ihrer Mutter waren. Montag, das war der Tag der Abreise, an dem sie noch völlig unter dem Eindruck des Kinderbesuchs stand, umhüllt sozusagen von einer schwarzen Wolke aus Angst und gefühlter Nutz losigkeit. Am Dienstag setzte die Genesung ein, doch schon mittwochs baute sich neue Verzweiflung auf. Florence und Jessica hassten sie. Sie hassten sie, egal was Peter dazu sagte. Sie sah es in ihren Augen und in der Art, wie sie vor ihr zurückwichen – wie aufgeschreckte Fohlen. Die ganze Situation war eigentlich unhaltbar, ein Desaster, aus ihr, Monica, würde nie eine passable Stiefmutter, geschweige denn eine gute. Trotzdem stand sie am Donnerstag früh auf und versuchte sich zu coachen: Sie konnte doch mit Kindern, oder nicht? Aoife beispielsweise hatte sie fast allein großgezogen, und Aoife war nun wirklich kein einfaches Kind gewesen. Wie schwer konnte es also sein, Peters Nachwuchs für sich zu gewinnen? Der Freitag galt also umfangreichen Vorbereitungen für eine gelungene Kinderfreizeit. Monica besorgte Malbücher, Malkästen, Strickliesel und Wollknäuel, und auf jedes Nachtkästchen kam ein kleiner Blumenstrauß. Auf dem Wohnzimmertisch legte sie Blumenpressen aus, Tierbücher, Comics, Klebstoff, Knete, Stickgarn in allen Farben. Sie konnte ihnen das Sticken beibringen, sogar Nähen! Sie konnten zusammen Weihnachtsgeschenke basteln, Brillenetuis, Schuhputztücher, Schlafanzugtaschen, Taschentücher mit Monogramm. Sie stellte sich vor, wie sie alle einträchtig auf dem Sofa saßen und Peter mit einem selbstgehäkelten Tabakdosenschoner überraschten. Wie froh wäre er da über ihren Triumph. Zu wissen, dass die Kinder sie akzeptieren, wäre auch für ihn das Größte.
Dann war es plötzlich Freitagabend, und sie war mit zwei Kindern in identischen Kord-Hängerchen aus dem Versand handel konfrontiert, deren Säume nie ganz gerade waren. Wie gerne hätte Monica die Nähte aufgetrennt und den Saum begradigt, dafür benötigte sie nur ein paar Minuten. Aber die Kinder liefen glatt an ihr vorbei, auf der Suche nach ihrer geliebten Katze.
Jenny, ihre Mutter, hatte schon bei der Trennung dafür gesorgt, dass er die Katze übernahm – und nicht nur wegen des Hauses. Denn die Katze hatte, wie Monica bald fest stellte, einen entscheidenden Fehler: Sie hatte nicht den geringsten Sinn für Verträglichkeit oder Unverträglichkeit fress barer Dinge. Sie fraß einfach alles: Papier, Gummibänder, Schnur, die Etiketten von Kleidungsstücken. Monica hatte so etwas noch nie erlebt. Sobald ein Fuchs irgendwo einen Müllsack aufgerissen hatte, kam diese Katze und machte sich über angegammelte Knochen, übelriechende Fischköpfe und schimmlige Brotreste her, selbst Teile von Joghurtbechern oder Schnürsenkel wurden nicht verschmäht. Danach stand sie jämmerlich maunzend an der Hintertür, bis Monica nachgab, um dem Tier Gelegenheit zu bieten, seinen wenig durchdachten Mageninhalt auf den Teppich zu erbrechen. Oder auf den frisch gewachsten Holzboden, den Kelim im Flur oder den Küchentisch, je nachdem.
Erst neulich hatte sie Peter gesagt, wenn sie noch ein einziges Mal Katzenkotze von den Möbeln schrubben müsse, springe sie im Karree.
Aber heute, Montag, war Putz- und Pflegetag. Montags wollte sie sämtliche Kinderspuren entfernen und ihre Welt wieder in Ordnung bringen. Montags war auch die Katze dran, in ihrem Fell versteckten sich massenhaft Dreck und Laubreste. Nur war seltsamerweise die Katze unauffindbar. Sie rief nach ihr am unteren Treppenabsatz, rief nach ihr an der Hintertür, sie
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