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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Ersatzkindern, in deren Alltag sie sich einklinken konnte, fast so, als wären es ihre eigenen. Wenn man so darüber nachdachte, war es das geniale Konzept: Kinder haben, ohne sie gebären zu müssen.
    Also noch einmal: Sie hatte nie Kinder gewollt und hatte jetzt trotzdem welche.
    Monica nahm eine Bürste (Griff aus Silber, Rückseite Emaille mit Initiale »H«, ebenfalls aus einem Nachlassverkauf) und bürstete sich lange die Haare. Ein Grundsatz ihrer Mutter: Langes Bürsten erhält die Haare gesund und kräftig.
    Sie achtete eben auf sich, wie sie von sich selbst sagte. Blendete alles aus, was sie nicht sehen wollte. Heute beherrschte sie die Kunst, die Augen vor der Welt zu verschließen, in Perfektion. Sie schloss sie nur halb, sodass alles in einem weicheren Bild erschien, oder schaute einfach zur Seite, damit alles Unschöne, das sich direkt auf sie zubewegte, nicht mehr in ihrem Blickfeld war. Dennoch musste sie sich vor Kurzem eingestehen, dass sie ein klitzekleines Problem mit drei- und vierjährigen Kindern hatte.
    Monica wollte ja auch kein Baby, sondern ein Kind. Sie verspürte nicht das geringste Verlangen nach diesen in Decken eingemummten Larven, die ihre Umgebung mit ihrer Zerbrechlichkeit, ihren ewigen Bedürfnissen terrorisierten und als Gegenleistung nur Körperflüssigkeiten absonderten. Überhaupt dieser ganze Vorgang. Milch und Blut und totes Gewebe. Der alles zerreißende Kraftakt bei der Geburt, der Schmerz. Nein, darauf konnte sie gut verzichten, sie hatte gesehen, was ihre Mutter mit Aoife hatte durchmachen müssen. So etwas ging über ihre Kraft.
    Monica mochte besonders die Jüngste von Michael Francis, Vita. Den Jungen eher weniger, denn der kam mit seiner breiten, hohen Stirn zu sehr nach seiner Mutter. Vita jedoch war eine echte Riordan, das sagte auch Gretta immer. Aoife wie aus dem Gesicht geschnitten. »Aber zum Glück ohne die anderen krassen Sachen«, fügte Monica einmal hinzu, worauf ihr ihre Mutter nur recht geben konnte. Beim letzten Mal, als Monica sie besuchte, nahm Vita sie an der Hand und zeigte ihr das Puppenhaus. Lauter kleine Zimmer, alle ordentlich nebeneinander, und die Minibücher in den Miniregalen hatten richtige Seiten. Und in der Küche stand eine echte Köchin, die einen farbig angemalten Schinken in der Pfanne hatte. Und vor dem knisternden Kaminfeuer aus Plastik lag ein echter Hund. So ein Kind wie Vita hätte sie auch gern gehabt, dachte Monica, als sie durch die geblümten Vorhänge schaute. Ein kleines Mädchen mit einem Puppenhaus, ein Mädchen mit Haarspange, Riemchenschuhen, eben ganz wie Vita. Im Schaufenster eines Spielzeugladens hatte sie später ein bezauberndes Puppen-Sideboard gesehen. Sie hatte das Puppen-Sideboard gekauft und Vita geschickt und bekam eine selbstgemalte Karte zurück. Claire war gut in solchen Dingen, und Monica schätzte Dankesbriefe, wer könnte es ihr verdenken?
    Aber es brachte nichts, allzu lange über so etwas nachzudenken. Es würde für sie keine Kinder geben, sie hatte sich entschieden, und dieser Entschluss war richtig, Schluss aus. Die Ohrringe waren drin, die Frisur saß, Lippenstift war auch aufgelegt, aber nicht zu viel, Peter mochte den Geschmack nicht. Monica stand vom Schminktisch auf und war bereit für den Abend.
    Als Peter nach Hause kam, in einem dreckigen Overall, der zum Himmel nach Terpentinersatz stank, hatte sie den Tisch eingedeckt. Weißes Tischtuch, Kerzen und auch das Silberschälchen mit den Mandeln stand bereit, ganz wie er es mochte.
    »Hallo, Schatz«, murmelte sie, als er durch die Küchentür trat, und hätte ihn um ein Haar geküsst, wären ihr nicht in letzter Sekunde Bedenken wegen ihres Kleids gekommen. »Was hast du getrieben?«
    »Ich hatte heute eine geniale Idee.« Peter warf ein paar Mandeln ein. »Weißt du noch, der Kieferntisch, den ich letzte Woche hereingekriegt habe? Gestern Nacht kam mir die Idee, dass wir den Tisch am besten …« Peter redete jetzt erst einmal weiter, endlos. Monica sah seinen Mund auf- und zugehen, sah die Ölflecken auf seinem Overall, fragte sich, ob die Flecken wohl durchgegangen waren und wann sie ihn bitten konnte, das dreckige Teil auszuziehen, damit sie nachsehen konnte. Nicht zuletzt bemerkte sie die schwarzen Fingernägel, die immer wieder in ihr Silberschälchen griffen. Aber er hielt sich noch immer dran, wie er und sein Angestellter den Tisch mit Eisenketten bearbeiten wollten, damit er die zerschrammte Antik-Optik bekam, auf die die Leute so

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