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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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den letzten Radfahrer, den Milchwagen im Frühgrau, die Nachbarskatze, die vor einer verschlossenen Hintertür maunzte. Was immer es mit der guten Hoffnung ihrer Mutter auf sich hatte, sie, Monica, wollte darauf gefasst sein.
    Aber endgültig Bescheid wusste sie erst, als sie ein Gespräch zwischen ihrer Mutter und ihrer Tante Bridie belauschte. Sie waren nämlich eines Sonntags bei ihrer Tante Bridie, wo Monica eigentlich auf ihre beiden kleinen Vettern im Garten aufpassen sollte. Die Vettern waren jedoch quengelig und doof, weswegen Monica es interessanter fand, sich in der kleinen Nische in der Küche unter der Wäschemangel zu verstecken, wo sie erst einmal keiner fand. Ihre Mutter und Bridie redeten lang und breit über ihre anderen Geschwister, von denen einer offenbar »auf die schiefe Bahn« gekommen war. Ferner ereiferten sie sich über die unverschämten Preise für Kinderschuhe und klagten ausgiebig über Roberts »schwarzen Tag«. Bridie brachte eine längere Geschichte über einen Bus nach Brighton – Monica hatte den Anfang nicht mitgekriegt und wusste daher nicht, wovon die Rede war. Aber dann fragte Bridie teilnahmsvoll: »Und wann kommt jetzt das Baby noch mal?«
    Monica kratzte an der grünen Farbe der Fußleiste. Sie schob ihre Finger so weit in die Walze der Mangel, dass es wehtat. Doch sie hörte weiter zu, das Zuhören beruhigte sie. Sie erfuhr, dass ihre Mutter schon Babys verloren hatte, viele Babys sogar. Monica stellte sich das so vor, dass ihr diese Babys nachlässigerweise aus dem Einkaufskorb oder aus der Manteltasche gefallen waren wie einzelne lose Pennys oder eine Haarnadel. Die beiden Frauen murmelten etwas von einem Baby, das ungetauft irgendwo begraben war. Ob es ein eigenes Baby war oder ein fremdes, konnte Monica nicht hören.
    Auf dem Nachhauseweg ließ sie die Hand ihrer Mutter nicht mehr los. Sie musterte die vertraute Gestalt von jetzt an genau, vom Hut auf ihrem Kopf bis hinunter zu den Sonntags- und Besuchsschuhen. Sie war guter Hoffnung.
    *
    In ein Handtuch gewickelt tappte Monica behutsam über die unbehandelten Holzdielen ins Schlafzimmer. Wie oft hatte sie sich hier schon einen Splitter in den Fuß getreten, doch sobald Peter nur das Wort Teppichboden hörte, hielt er sich die Ohren zu. Irgendwann hatte sie es aufgegeben.
    Monica ging die Kleiderbügel in ihrem Schrank durch (Dreitürer mit Walnuss-Furnier, spätviktorianisch, erstanden auf einem Nachlassverkauf in Gloucester). Kleidung war bei diesem Wetter ein heikles Thema. Was konnte man anziehen, das luftig, aber nicht zu freizügig war. Monica dachte nacheinander an ein Hemdblusenkleid aus Kräuselkrepp, an ein Neckholder-Top aus orangefarbenem Seersucker, an ein figurbetontes, gestreiftes Jerseykleid mit Reißverschluss in der Mitte, ehe sie sich auf ein Rüschenkleid aus dünner Baumwolle festlegte. Das war eines von Peters Lieblingskleidern. Darin, sagte er, sähe sie aus wie ein Milchmädchen. Milchmädchen war offenbar gut. Alle diese Sachen hatten sie gemeinsam in Oxford gekauft. Shoppen mit einem Mann war nicht unbedingt etwas, woran sie gewöhnt war. Gewöhnt war sie an ihre Mutter oder ihre Schwester, denn allein gehen wollte sie auch nicht. Sie konnte sich nämlich schlecht entscheiden, ob etwas zu ihr passte oder nicht. Deshalb hatte sie immer Gretta mitgenommen – oder später Aoife, die trotz ihres Schlabberlooks erstaunlich gut wusste, was anderen stand. Monica fiel es schwer, aus der Umkleidekabine zu treten und das Kleidungsstück vor einem Mann zu präsentieren, sein Einverständnis einzuholen, bevor sie sich selber eine Meinung gebildet hatte. Joe hätte solche Einkaufstouren gehasst, wäre auch nie mitgegangen, selbst wenn sie ihn gebeten hätte.
    Monica drückte die Perlenknöpfe durch die kleinen Löcher am Spitzensaum. So viele und alle so klein. Sie hatte das ganz vergessen. Sie betrachtete sich im Spiegel des Schminktischs (Art déco, Eiche mit Rosenholz-Intarsien) und legte die Ohrringe an (Markasit mit Rubinen, Blumenmuster, Dreißigerjahre). Sie hatte keine Kinder gewollt und das auch genau so zu Joe gesagt, von Anfang an. Anscheinend hatte er ihr nicht geglaubt, hatte sich eingebildet, dass sie schon irgendwann die Kurve kriegen würde und es nicht ihr letztes Wort wäre. Dasselbe hatte sie Peter gesagt, aber Peter war einverstanden. Ich glaube nicht, dass ich mir das noch einmal antun muss, hatte sie zu ihm gesagt. Peter trat mit einer voll ausgestatteten Familie in ihr Leben, mit

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