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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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anders bekam ich auch nicht meinen Willen. In mancher Hinsicht war es damals vielleicht schwerer, das einzige Mädchen unter Jungen zu sein. In anderer Hinsicht auch nicht.

22
    In der Nacht schlief ich in Cams Kapuzen-Sweatshirt. Das war albern und irgendwie auch kitschig, aber das war mir egal. Am nächsten Tag trug ich es auch, obwohl es draußen glühend heiß war. Ich mochte die ausgefransten Ärmel, es fühlte sich so richtig bewohnt an. Eben wie ein Kleidungsstück, das einem Jungen gehörte.
    Cam war der Erste, der mich als Mädchen sah, der mir klar zu verstehen gab, dass er sich gern mit mir treffen wollte. Und dem das nicht mehr oder weniger peinlich war.
    Als ich aufwachte, fiel mir ein, dass ich ihm die Festnetznummer gegeben hatte, keine Ahnung, wieso. Ich hätte ihm ja auch genauso gut meine Handynummer geben können.
    Die ganze Zeit lauerte ich darauf, dass das Telefon läutete. Normalerweise rief nie jemand im Sommerhaus an. Höchstens Susannah, die wissen wollte, welche Sorte Fisch wir zum Essen wollten, oder meine Mutter, die Steven beauftragte, die Handtücher in den Trockner zu tun oder den Grill anzuwerfen.
    Ich rührte mich nicht von der Veranda, sonnte mich und las Zeitschriften. Cams Pulli lag wie ein zusammengerolltes Kuscheltier auf meinem Schoß. Da die Fenster immer offen standen, würde ich sofort hören, wenn das Telefon klingelte.
    Ich schmierte mich erst dick mit Sonnencreme ein und dann mit zwei Schichten Sonnenöl. Vielleicht war das ein Widerspruch in sich, aber meine Devise war: Doppelt hält besser. Um mich herum baute ich alles auf, was ich brauchen könnte: Kool-Aid mit Kirschgeschmack, das ich in einer leeren Wasserflasche mit Wasser und Zucker gemischt hatte, ein Radio, eine Sonnenbrille und Zeitschriften. Die Brille hatte ich vor ein paar Jahren von Susannah bekommen. Susannah schenkte unheimlich gern. Wenn sie Besorgungen machte, kam sie immer mit Geschenken zurück, irgendwelchen Kleinigkeiten wie dieser herzförmigen roten Brille, die ich ihrer Meinung nach unbedingt haben musste. Sie wusste einfach, was mir gefiel, obwohl es Dinge waren, an die ich nie gedacht und die ich mir nicht im Traum selbst gekauft hätte. Lavendel-Fußcreme oder ein seidengefüttertes Täschchen für Taschentücher.
    Meine Mutter und Susannah waren schon früh am Morgen nach Dyerstown aufgebrochen, zu einem ihrer Galeriebesuche, und Conrad war Gott sei Dank schon bei der Arbeit. Jeremiah schlief noch. Das Haus gehörte mir.
    Sonnenbaden hört sich theoretisch ja ganz lustig an – man streckt sich aus, tankt Sonne, nippt an seiner Limo und schläft irgendwann genüsslich ein. In Wirklichkeit ist es eine ziemlich mühsame und langweilige Angelegenheit. Und heiß ist es auch. Lieber würde ich mich im Meer treiben lassen und dabei braun werden, als schwitzend in der Sonne zu braten. Außerdem bräunt nasse Haut angeblich schneller.
    Aber an dem Morgen hatte ich keine Wahl. Schließlich konnte es ja sein, dass Cam anrief. Also lag ich schwitzend da und brutzelte in der Sonne wie ein Hühnchen auf dem Grill. Ziemlich öde, aber was blieb mir anderes übrig.
    Kurz nach zehn klingelte das Telefon. Ich sprang auf und rannte in die Küche. »Hallo?«, sagte ich atemlos.
    »Hi, Belly, ich bin’s. Mr. Fisher.«
    »Oh, hi, Mr. Fisher«, sagte ich und versuchte, nicht allzu enttäuscht zu klingen.
    Er räusperte sich. »Und, wie sieht’s aus bei euch?«
    »Ganz gut. Susannah ist aber nicht zu Hause. Sie ist mit Mom in Dyerstown, sie wollten in irgendwelche Galerien.«
    »Ah ja … Und die Jungs, wie geht’s denen?«
    »Gut …« Ich wusste nie, worüber ich mit Mr. Fisher reden sollte. »Conrad ist bei der Arbeit, und Jeremiah schläft noch. Soll ich ihn wecken?«
    »Nein, nein, schon gut.«
    Es gab eine lange Pause, und ich überlegte verzweifelt, was ich sagen könnte.
    »Kommen Sie her, ich meine, am Wochenende?«
    »Nein, dieses Wochenende nicht«, sagte er. Seine Stimme schien von weit her zu kommen. »Ich ruf später wieder an. Viel Spaß noch, Belly.«
    Ich legte auf. Mr. Fisher war dieses Jahr noch nicht einmal in Cousins gewesen. Sonst kam er immer am Wochenende nach dem vierten Juli, weil er sich nach dem Feiertag leichter in der Firma freimachen konnte. Wenn er da war, stand er das ganze Wochenende lang am Grill, mit einer Schürze, auf der stand: HIER KOCHT DER CHEF . Ich fragte mich, ob Susannah wohl enttäuscht sein würde, weil er nicht kam, und ob es den Jungen etwas ausmachte.
    Ich

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