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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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sie, aber nicht so richtig. Ich war froh, dass ich ihm den Abend verdorben hatte, wenn auch nur ein bisschen.
    Auf dem Weg zum Auto hielt mich ein Mädchen an. Sie hatte ihr hellbraunes Haar zu Zöpfen geflochten und trug ein rosa, tief ausgeschnittenes T-Shirt. »Gefällt dir Cam?«, fragte sie mich beiläufig. Ich überlegte, woher sie ihn wohl kannte – mir war es so vorgekommen, als sei er ein Niemand auf dieser Party, genau wie ich.
    »Ich kenne ihn kaum«, erklärte ich, und ihre Miene entspannte sich. Sie war erleichtert. Diesen Blick in ihren Augen kannte ich, dieses Verträumte, Hoffnungsvolle. So muss ich auch ausgesehen haben, wenn ich von Conrad sprach und mir immer wieder Anlässe ausdachte, seinen Namen in eine Unterhaltung einfließen zu lassen. Es machte mich traurig, ihretwegen.
    Plötzlich wechselte sie das Thema. »Ich habe mitgekriegt, wie Nicole dich angezickt hat. Mach dir wegen der keine Gedanken. Die ist unmöglich.«
    »Red-Sox-Girl? Ja, schon irgendwie«, gab ich ihr recht. Ich winkte ihr zum Abschied kurz zu und ging mit Jeremiah und Conrad zu unserem Auto.
    Conrad setzte sich hinters Steuer. Er war völlig nüchtern, und das war er auch vorher schon gewesen, das wusste ich. Er musterte kurz Cams Hoodie, sagte aber nichts. Wir redeten kein einziges Wort miteinander. Jeremiah setzte sich zu mir nach hinten und versuchte Witze zu reißen, aber keiner lachte. Ich war zu sehr damit beschäftigt, nachzudenken und mich an alles zu erinnern, was an diesem Abend passiert war. Das war vielleicht der tollste Abend meines Lebens , ging mir durch den Kopf.
    Im vergangenen Jahr hatte Sean Kirkpatrick mir ins Jahrbuch geschrieben, ich hätte »so klare Augen«, dass man mir »geradewegs in die Seele schauen« könne. Gut, Sean war ein Theaterfreak, aber was soll’s. Gefreut hat mich das doch. Taylor hat gekichert, als ich es ihr zeigte. Außer Sean Kirkpatrick würde wohl keiner meine Augenfarbe bemerken – die anderen Jungs hatten genug damit zu tun, mir auf den Busen zu starren. Aber jetzt ging es nicht um Sean, jetzt ging es um Cam, einen richtigen Jungen, der mich schon bemerkt hatte, bevor ich schön wurde.
    Ich war gerade dabei, mir im oberen Bad die Zähne zu putzen, als Jeremiah hereinkam und die Tür hinter sich zumachte. Er nahm sich seine Zahnbürste und fragte: »Was ist eigentlich los mit dir und Con? Wieso seid ihr so sauer aufeinander?« Mit einem Satz war er auf dem Waschtisch.
    Jeremiah hasste es, wenn Leute Krach hatten. Unter anderem deshalb spielte er dauernd den Clown. Er fühlte sich immer dafür zuständig, dass es locker zuging. Es war süß von ihm, aber manchmal auch nervig.
    Durch den Zahnpastaschaum hindurch sagte ich: »Ähm – vielleicht weil er ein riesengroßer, selbstgerechter Vollidiot ist?«
    Wir mussten beide lachen. Es war einer von unseren Insider-Witzen, ein Satz aus dem Film »Der Frühstücksclub«, den wir schon zitierten, seit ich acht und er neun war.
    Jeremiah räusperte sich. »Aber mal im Ernst – sei nicht so streng mit ihm. Er hat’s nicht leicht im Moment.«
    Das war mir allerdings neu. »Wieso? Was ist denn los?«
    Jeremiah zögerte. »Das darf ich dir nicht sagen.«
    »Komm schon, wir haben uns immer alles erzählt, Jere. Keine Geheimnisse – schon vergessen?«
    Er lächelte. »Nicht vergessen. Aber sagen kann ich’s dir trotzdem nicht. Es ist ja nicht mein Geheimnis.«
    Ich verzog das Gesicht, drehte den Hahn auf und sagte: »Du stehst auch immer auf seiner Seite.«
    »Ich steh nicht auf seiner Seite. Ich sag dir nur, wie es von seiner Seite aussieht.«
    »Das ist dasselbe.«
    Er streckte einen Arm aus und schob meine Mundwinkel nach oben. Das war einer seiner ältesten Tricks, damit brachte er mich immer zum Lachen, egal, was vorher gewesen war. »Schmollen verboten, Bells, weißt du noch?«
    Schmollen verboten war eine Regel, die Conrad und Steven in einem dieser Sommer erfunden hatten. Damals muss ich acht oder neun gewesen sein. Aber diese Regel galt ganz allein für mich. Sie hatten sie sogar auf ein Schild geschrieben, das sie an meine Zimmertür klebten. Natürlich habe ich es sofort abgerissen und mich bei Susannah und meiner Mutter beklagt. An dem Abend bekam ich eine doppelte Portion Nachtisch, das weiß ich noch. Aber sobald ich auch nur das kleinste bisschen traurig oder gekränkt dreinguckte, grölte einer der Jungen: »Schmollen verboten! Schmollen verboten!« Klar, vielleicht habe ich wirklich ziemlich viel geschmollt, aber

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