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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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Becks Söhne. Beck war Susannah Fisher, früher Susanna Beck. Meine Mutter war die Einzige, die sie Beck nannte. Die beiden kannten sich, seit sie neun waren – Blutsschwestern nannten sie sich. Und sie hatten auch die Narben, die das bewiesen, identische herzförmige Narben an den Handgelenken.
    Als ich zur Welt kam – hat Susannah mir erzählt –, da wusste sie gleich, dass ich für einen ihrer Jungs bestimmt sei. Schicksal sei das, meinte sie. Meine Mutter, die es normalerweise mit diesen Dingen nicht so hatte, meinte, das sei doch perfekt, allerdings sollte ich mich vorher wenigstens noch ein paarmal anderweitig verlieben. Ein paar andere Liebhaber haben , hat sie übrigens wörtlich gesagt, aber das fand ich echt peinlich. Susannah nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände und sagte: »Belly, du hast meinen Segen, ein für alle Mal. Ich fände es furchtbar, meine Jungs an eine andere zu verlieren.«
    Seit meiner Geburt sind wir jeden Sommer in Susannahs Sommerhaus am Strand von Cousins Beach gewesen. Sogar schon vor meiner Geburt. Wenn ich an Cousins denke, denke ich mehr an das Haus und weniger an den Ort. Das Haus war meine Welt. Wir hatten unseren eigenen Strand, ganz für uns alleine. Es gab eine Menge, was für mich zum Haus gehörte: die Veranda, über die wir immer rings ums Haus rannten, die großen Kannen mit Sommertee, der nächtliche Pool – und die Jungs. Vor allem die Jungs.
    Ich fragte mich immer, wie die beiden wohl im Dezember aussehen mochten. Ich versuchte sie mir mit Rollkragenpullovern und cranberryroten Schals vorzustellen, mit geröteten Backen oder neben einem Weihnachtsbaum, aber keins dieser Bilder schien zu stimmen. Ich kannte den Winter-Jeremiah oder den Winter-Conrad einfach nicht, und ich war eifersüchtig auf jeden, der das Glück hatte. Für mich blieben Flip-Flops und Badehosen und Sand und Nasen mit Sonnenbrand. Aber was war mit diesen Neuengland-Mädchen, die sich mit den beiden Schneeballschlachten im Wald lieferten? Die sich im Auto an sie kuschelten, bis die Heizung auf Touren kam, und denen sie ihre Jacken umhängten, wenn es draußen kalt war. Zumindest Jeremiah, der schon. Conrad nicht. Niemals, das war nicht sein Stil. Aber wie auch immer, es war nicht fair.
    In Geschichte saß ich dicht neben der Heizung und fragte mich, was die beiden wohl machten, ob sie sich auch gerade irgendwo die Füße an einem Heizkörper wärmten. Und dabei die Tage zählten, bis wieder Sommer war. Für mich zählte der Winter so gut wie nicht. Bloß der Sommer, auf den kam es an. In meinem Leben zählten überhaupt nur die Sommer. So als lebte ich gar nicht richtig vor Juni, bevor ich wieder am Strand war, in diesem Haus.
    Conrad war eineinhalb Jahre älter als Jeremiah.
    Er war der düstere Typ, richtig finster. Und natürlich nicht greifbar. Unerreichbar. Er verzog immer leicht spöttisch den Mund, und irgendwie musste ich dauernd darauf starren. Diese spöttisch verzogenen Münder will man immer küssen, will sie glatt streichen und den Spott wegküssen. Oder vielleicht nicht einmal wegküssen … nur irgendwie unter Kontrolle kriegen. Ganz für sich haben. Genau das war es, was ich von Conrad wollte. Ihn für mich haben.
    Jeremiah dagegen – er war mein Freund. Er war nett zu mir. Er war der Typ Junge, der noch immer seine Mutter umarmte und der noch immer ihre Hand hielt, auch wenn er theoretisch zu alt dafür war. Es war ihm aber auch nicht peinlich. Dafür hatte Jeremiah keine Zeit – er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu vergnügen.
    Ich wette, Jeremiah war in der Schule viel beliebter als Conrad. Ich wette, er kam bei den Mädchen besser an. Ich wette, ohne sein Football wäre Conrad niemand Besonderes. Er wäre kein Footballgott, sondern einfach der stille, etwas mürrische Conrad. Mir gefiel das. Mir gefiel, dass Conrad lieber für sich blieb und Gitarre spielte. So als hätte er mit diesem ganzen albernen High-School-Kram nichts am Hut. Ich stellte mir gerne vor, dass Conrad, wenn er an meiner Schule wäre, nicht Football spielte, sondern in der Redaktion unseres Literaturmagazins wäre und auf jemanden wie mich aufmerksam würde.
    Als wir endlich da waren und in die Einfahrt einbogen, saßen Jeremiah und Conrad vorn auf der Veranda. Ich lehnte mich an Steven vorbei und drückte zweimal auf die Hupe, was in unserer Sommersprache so viel bedeutete wie: Kommt und helft uns mit dem Gepäck. Aber dalli!
    Conrad war jetzt achtzehn. Er hatte erst kürzlich Geburtstag gehabt.

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