Der Sommer, als ich schön wurde
hindurch gefahren. Um mich zu sehen.
Ich sagte ihm, er solle unten an der Straßenecke parken, ich würde dort hinkommen, nachdem meine Mutter schlafen gegangen wäre. Er sagte, er werde warten.
Ich löschte das Licht, stellte mich ans Fenster und hielt Ausschau nach Scheinwerferlichtern. Als ich seinen Wagen sah, wäre ich am liebsten sofort rausgerannt, aber ich musste warten. Meine Mutter pusselte noch immer in ihrem Zimmer herum, und ich wusste, sie würde noch mindestens eine halbe Stunde lesen, bevor sie einschlief. Zu wissen, dass er da draußen auf mich wartete, und nicht zu ihm gehen zu können war wie Folter.
Im Dunkeln ziehe ich den Schal und die Mütze an, die meine Großmutter mir zu Weihnachten gestrickt hat. Dann schließe ich die Schlafzimmertür hinter mir und schleiche auf Zehenspitzen durch den Flur bis zur Tür meiner Mutter und presse ein Ohr daran. Das Licht ist aus, Mom schnarcht leise. Steven ist noch nicht zu Hause, das ist mein Glück, denn er hat einen leichten Schlaf, genau wie unser Dad.
Endlich ist meine Mutter eingeschlafen, im ganzen Haus ist es still und dunkel, nur am Christbaum brennen die Lichter. Wir lassen sie immer die ganze Nacht über an, weil sich das so anfühlt, als wäre immer noch Weihnachten, als könnte jeden Moment wieder der Weihnachtsmann mit Geschenken auftauchen. Eine Nachricht schreibe ich nicht für meine Mutter, ich werde sie am Morgen anrufen, wenn sie wach wird und sich fragt, wo ich bin.
Ich schleiche die Treppe hinunter, meide die knarrende Stufe in der Mitte, aber sobald ich aus dem Haus bin, fliege ich die Eingangsstufen hinunter und über den gefrorenen Rasen. Er knirscht unter den Sohlen meiner Sneakers. Ich habe völlig vergessen, meinen Mantel anzuziehen. An Schal und Mütze habe ich gedacht, aber nicht an den Mantel.
Sein Wagen steht an der Ecke, wie verabredet. Die Scheinwerfer hat er ausgemacht, und ich öffne die Beifahrertür, als hätte ich das schon unendlich oft gemacht. Aber so ist es nicht. Ich habe noch nie in diesem Auto gesessen. Ich habe Conrad seit August nicht mehr gesehen.
Ich stecke den Kopf hinein, aber steige nicht ein, noch nicht. Erst will ich ihn ansehen. Das muss sein. Es ist Winter, und er trägt ein graues Fleece. Seine Wangen sind rosig von der Kälte, seine Sonnenbräune ist verblasst, aber trotzdem sieht er aus wie immer. »Hey«, sage ich, und dann steige ich ein.
»Du hast keinen Mantel an«, sagt er.
»So kalt ist es ja nicht«, sage ich, obwohl es das sehr wohl ist und obwohl ich zittere, während ich das sage.
»Hier«, sagt er, schlüpft aus seinem Fleece und reicht es mir.
Ich ziehe es an. Es ist warm, und es riecht nicht nach Rauch. Es riecht einfach nur nach Conrad. Er hat also tatsächlich mit dem Rauchen aufgehört. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln.
Er lässt den Motor an.
»Ich kann’s nicht glauben, dass du wirklich hier bist«, sage ich.
Er klingt fast scheu, als er antwortet: »Ich auch nicht.« Dann zögert er. »Kommst du trotzdem mit?«
Unfassbar, dass er noch fragt. Überall würde ich mit ihm hingehen. »Ja«, antworte ich. Außerhalb dieses einen Wortes, dieses Moments scheint nichts zu existieren. Es gibt nur uns. Alles, was in diesem Sommer geschehen ist und in jedem Sommer davor, alles hat darauf hingeführt. Auf diesen Moment. Jetzt.
Dank
Zuallererst und wie immer danke ich den Frauen bei Pippin: Emily van Beek, Holly McGhee und Samantha Cosentino.
Ich danke meiner außergewöhnlichen Lektorin Emily Meehan, die mich unterstützt wie keine andere, aber auch Courtney Bongiolatti, Lucy Ruth Cummins und allen bei Simon&Schuster. Vielen Dank an Jenna und Beverly und der Calhoun School für ihre stete Unterstützung meiner Arbeit als Schriftstellerin. Ich danke meiner Schreibgruppe, den Longstockings, und ganz besonders einer von ihnen, die mir jeden Montag gegenübergesessen und mir Mut gemacht hat – Siobhan. Ich schau dir in die Augen. Und schließlich gilt mein Dank Aram, der mich dazu inspiriert hat, über ewige Freundschaft zu schreiben, die Art, die alles überdauert, Jungs und Strände und Kinder und ein ganzes Leben.
Jenny Han
Jenny Han, 1980 in Virginia/USA geboren, studierte in North Carolina und machte ihren Master of Fine Arts in New York. Heute lebt sie in Brooklyn. Mit dem ersten Teil ihrer Sommer-Trilogie Der Sommer, als ich schön wurde (Hanser, 2011) gelang ihr der Durchbruch als Schriftstellerin. Auf den zweiten Teil Ohne dich kein Sommer (2012) folgt im Juli
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