Der Sommer auf Usedom
gemeinsam sämtliche Feinheiten für seinen dämlichen Anbau besprechen, schriftlich festhalten und dann zum Vertrag kommen können. Da konnte ich nicht nein sagen. Ich arbeite jetzt schon seit fünfzehn Wochen an den Entwürfen und Änderungen. Bisher habe ich dafür nur eine Aufwandsentschädigunggesehen. Wenn ich den Auftrag nicht kriege, ist das richtig ärgerlich.«
»Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Ich kann mich gut einen Abend alleine beschäftigen«, beruhigte Jasmin ihre Freundin. »Der Tag heute war so ausgefüllt, da kommt es mir sehr entgegen, wenn ich heute nur noch ein bisschen male oder lese und dann früh ins Bett gehe.«
»Sehr schön. Und eine gute Idee, immerhin brauchst du deinen Schönheitsschlaf.« Sie zwinkerte ihr zu und lief mit den Papieren wieder zurück in die Loggia. Der Auftrag musste ziemlich wichtig sein, wenn Gabi so zerstreut war.
Jasmin verbrachte einen entspannten Abend auf der Terrasse. Sie nutzte das Tageslicht, um ihre Skizze aus Zecherin auf eine Leinwand zu übertragen. Dabei musste sie wieder an den kleinen Mann mit der großen Latzhose denken. Sie lächelte bei der Erinnerung. Auch das Motorrad bei den Hütten fiel ihr wieder ein und das unangenehme Gefühl der Nähe eines fremden Menschen, der sie womöglich die ganze Zeit beobachtet hatte. Als die Dunkelheit, begleitet vom rhythmischen Sirren der Zikaden, Einzug hielt, setzte sie sich mit einem Glas Wein in den Liegestuhl. Es war noch immer sehr mild, genau richtig, um sich im Freien aufzuhalten und den Duft der Ostsee, der ihr mit einem Mal besonders intensiv erschien, zu genießen. Aus der Loggia hörte sie die Stimmen von Gabi und Monsieur Fromage. Die beiden lachten viel, es machte den Eindruck, als würden sie sich einig werden. Ihr Lachen und Reden hatte Jasmin noch im Ohr, als sie gegen Mitternacht in ihrem Bett lag und augenblicklich einschlief.
Eine Fliege weckte sie, die wohl durch das geöffnete Fenster hereingekommen war und sich abwechselnd auf Jasmins auf der Bettdecke liegende Hand und ihre Wange hockte. Schon nach neun Uhr! Um diese Zeit war Gabi normalerweise längst auf den Beinen, hatte Musik eingeschaltet, das Frühstück gemacht undklapperte so laut mit dem Geschirr, dass Jasmin wach wurde. Ihr Arbeitstag begann meist gegen sieben Uhr, zwei Stunden später hatte sie üblicherweise Hunger. Heute war noch nichts von ihr zu hören. Jasmin reckte sich. Sie hatte gut geschlafen und verrücktes Zeug geträumt. Irgendwie war der namenlose Dieter vorgekommen, ihr wollte aber partout nicht mehr einfallen, in welchem Zusammenhang das gewesen war. Sie ging in die Küche und stolperte beinahe über zwei leere Weinflaschen, die neben der Tür auf dem Boden standen. Wenn Gabi und der Käsemann die gemeinsam geleert hatten, war es nicht erstaunlich, dass ihre Freundin heute verschlief. Sie füllte Kaffeepulver in die Maschine, einen Löffel mehr als gewöhnlich, das konnte sicher nicht schaden. Dann legte sie Wurstscheiben in Wellen und ordnete Käse dazwischen an. Das Ganze dekorierte sie mit Radieschen und Tomatenvierteln und stellte den Teller zusammen mit Marmelade, Honig und den übrigen Dingen bereit. Sie würde schnell ins Bad gehen, sich anziehen und den Frühstückstisch decken.
Kaum eine Viertelstunde später war Jasmin wieder in der Küche, lud das Tablett voll und trug es an den großen Esstisch. Sie stellte alles an seinen Platz und summte fröhlich vor sich hin. Plötzlich hörte sie aus dem Wohnzimmer ein rasselndes Geräusch, dann Röcheln, kurz Stille und den Bruchteil einer Sekunde später ein vernehmliches Schnarchen. Sie fuhr zusammen. War Gabi etwa auf dem Sofa eingeschlafen? Nach ihrer Freundin hatte das allerdings nicht geklungen, sondern eher nach einem Wildschwein. Jasmin schlich sich auf Zehenspitzen zur Couch. Da lag Monsieur Fromage unter einer dünnen Wolldecke. Er trug ein Unterhemd und offenbar keine Hosen, denn die lagen vor dem Sofa auf dem Fußboden. Jasmin zog die Augenbrauen nach oben und schmunzelte in sich hinein. Wenn das keine Überraschung war! Sie schlich zurück und zu Gabis Schlafzimmer. Nach einem vorsichtigen Klopfen trat sie ein. Von ihrer Freundin war nur der kurze grau-braune Schopf zu sehen. Wie hielt sie das nur aus, die Bettdecke bis über die Nase gezogen?Es war schon sehr warm draußen und entsprechend stickig im Haus.
»Aufwachen, du Langschläferin«, sagte Jasmin leise und berührte das, was vermutlich Gabis Schulter war. Die knurrte nur und
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