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Der Sommer auf Usedom

Der Sommer auf Usedom

Titel: Der Sommer auf Usedom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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machen«, erzählte der Mann und wippte ständig von den Fersen auf die Zehenspitzen und wieder auf die Fersen. »Da tun die denn den Schlamm rein, den sie aus dem Wasser schaufeln. Weiß auch nich, wozu dat gut sein soll.« Er wippte weiter und dachte anscheinend über den Sinn eines Spülfeldes nach.
    »Aber hier gibt es keinen Deich, oder?« Sie spähte angestrengt zu der Insel mit dem lustigen Namen, den sie sich nicht hatte merken können.
    »Nee, hier im Süden warn wir schlauer.« Seine Lippen zogen sich zu einem breiten Grinsen auseinander. »Wir ham dem Schilf erlaubt, sich auszubreiten. Sehen Sie? Alles voll! Oben im Norden is nix. Nur öde Fläche.« Er nickte.
    Jasmin musste schmunzeln. Bisher hatte sie nichts von den Inseln gewusst. Sie waren ihr natürlich aufgefallen, weil sie zwischen Usedom und dem Festland im Peenestrom lagen wie alte Seelenverkäufer, die auf Grund gelaufen waren. Nur hatte sie sich nie weiter mit ihnen beschäftigt. Dass dieser Wicht von denen da im Norden und ihnen hier im Süden sprach, amüsierte sie. Schließlich betrug die Entfernung zwischen den beiden Landfetzen wohl nicht einmal einen Kilometer, schätzte sie.
    »Schilf is nützlich«, klärte er sie weiter auf. »Da kannst Biogas draus machen und brauchst keinen Mais für verschwenden. Den sollst man lieber essen.« Erstaunlich, womit er sich offenbar beschäftigte. Wie man sich doch in einem Menschen täuschen konnte, wenn die erste Begegnung unglücklich lief, dachte sie. »Na ja und denn is das natürlich bestes Baumaterial. Kennst du bestimmt von den Dächern.« Er sah zu ihr herauf.
    »Reetdächer«, stellte sie fest. »Klar, die kenne ich.«
    »Rohrdächer«, korrigierte er sie und warf ihr einen abschätzigen Blick zu. »Wir sind ja nich auf Sylt.« Jasmin fragte liebernicht nach, ob es tatsächlich einen Unterschied gab. »Wir ernten hier noch mit Sicheln und Sense, nich mit Maschinen«, erklärte er stolz weiter.
    »Wird bald geerntet?« Das Schilf war sehr hoch. Es wäre schön, einmal bei der Ernte zusehen zu können.
    Das Männchen lachte. »Nee, Deern, dat dauert noch. Erst muss Frost sein, dat is wie beim Grünkohl.«
    »Nehmen Sie mich auf den Arm?«
    Er sah an ihr hoch. »Nee, dat lass ich lieber.« Er erzählte ihr, wie das Rohr geschnitten und ausgeschüttelt und dann zu Bünden zusammengefasst wurde. »Dat meiste kommt heute aus Rumänien«, sagte er am Ende seines Vortrags mit einem tiefen Seufzer. Dabei nahm er seine Wippbewegung wieder auf. »Und was weiß ich woher, sogar aus China, glaub ich. Wenn Sie’s wirklich interessiert, denn gehen Sie man den Trampelpfad lang, der führt zwischen den Häusern und den Schilffeldern durch. Nach ’ner Weile kommst zu drei Hütten. Da liegen bestimmt noch ’n paar Bünde rum vom letzten Jahr. Die werden immer mal gebraucht auf der Insel, um was auszubessern.«
    »Danke für den Tipp!« Er nickte nur. Sie überlegte, dann fragte sie ihn: »Und da darf ich einfach hingehen? Ich meine, die Felder sind doch bestimmt Privatbesitz.« Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Nee, da kannst ruhig langlaufen. Da hat keiner was gegen. Is ja nich wie auf Rügen hier.«
    Jasmin war kaum mehr als zweihundert Meter gelaufen, bis sie die Stelle erreichte, von der das Männlein gesprochen hatte. Drei einfache Holzhütten, eine davon war einmal rot gestrichen gewesen, doch die Farbe blätterte bereits stark ab, die anderen waren weiß. Davor ein Steg und tatsächlich ein kleiner Haufen gebündeltes Schilf, in dem es unablässig knisterte und raschelte. Das ursprüngliche Usedom, ging es ihr durch den Kopf. Ein paar Wolken zogen langsam über den hellblauen Himmel, der Steg, den lange keiner mehr benutzt zu haben schien, spiegelte sich indem glatten Wasser des Peenestroms. Das Festland rundete das Bild mit seinem gelben Strandstreifen und den grünen Wiesen und Bäumen dahinter ab. Jasmin holte ihr Skizzenbuch aus der Tasche. Dies war bestimmt kein Touristenort, aber ein besonderer Ort war es auf jeden Fall. Man konnte meinen, die Zeit sei hier stehengeblieben. Keine Hochspannungsleitung, kein Auto, kein mehrstöckiges Haus, nichts, was dem Beobachter verraten hätte, dass das einundzwanzigste Jahrhundert bereits Gewohnheit war.
    Sie lief ein Stück um die Hütten herum, um die richtige Perspektive für ihr Bild zu finden. Da entdeckte sie einen wunderschönen alten Leiterwagen. Von seinem dunkelblauen Anstrich war nicht mehr viel übrig, er musste sicher schon

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