Der Sommer auf Usedom
mit den Armen undwarf sich im letzten Moment zurück, wie Jasmin es in der Schule immer beim Weitsprung gemacht hatte, wo diese Strategie allerdings deutlich weniger zu empfehlen war. Der Mann landete auf dem Hinterteil, rollte auf den Rücken ab, als wolle er eine Rolle rückwärts machen, und blieb kurz liegen.
»Ist das eine Angewohnheit von Ihnen, mit spektakulären Auftritten auf sich aufmerksam zu machen?« Schon als er zum Sprung angesetzt hatte, hatte Jasmin den Spätankömmling aus dem Niemeyer-Holstein-Museum erkannt.
Er machte Anstalten, sich Sandkörner, die er selbst aufgewirbelt hatte, aus dem Gesicht zu wischen, drehte dann jedoch den Kopf und sah sie von unten herauf an.
»Sie schon wieder«, rief er aus, was irgendwie übertrieben klang wie bei einer schlechten Theateraufführung.
»Das könnte ich auch sagen«, entgegnete Jasmin.
»Stimmt.« Mit einer geschickten Drehung war er auf den Knien und im nächsten Moment auf den Füßen. »Hallo«, sagte er und lächelte sie an, wobei seine Grübchen zu tiefen kleinen Mulden wurden.
Statt zu antworten, schob sie ihre Sonnenbrille in ihr Haar und nickte ihm zu. »Haben Sie etwas gegen Kunst?«, wollte sie wissen.
»Nee, im Gegenteil. Wie kommen Sie auf diese Frage?«
»Na, gestern konnte man leicht den Eindruck kriegen, Sie hätten die Absicht, das Atelier von ONH zu zerlegen.«
»Ist doch nichts passiert«, entgegnete er und klopfte seine Hose sauber. Der Vorfall im Museum schien ihm nicht sonderlich unangenehm zu sein. »Und Sie sind selbst Künstlerin?« Er stand mit dem Rücken zur Steilküste, die Staffelei war zwischen ihnen.
»Ja, ich bin Malerin«, antwortete Jasmin und genoss es, das zu sagen. Dann hatte sie jedoch das Gefühl, ONH stünde neben ihr und blickte sie missbilligend an. »Nur in der Freizeit«, ergänzte sie darum und lachte unsicher.
»Schön. Darf ich gucken?« Während er fragte, beugte er sich bereits über das hölzerne Gestell.
»Es ist noch nichts zu sehen. Ich bin gerade erst gekommen.«
Er stellte sich auf die Zehenspitzen, dann ließ er sich wieder auf die Füße fallen und kam mit federndem Schritt zu ihr herum. »Meine Güte, wenn das der Horizont werden soll, wird es ein ziemlich schräges Gemälde.« Er hatte die Augenbrauen hochgezogen und starrte auf den Bleistiftstrich, der einmal quer über die Leinwand lief. Seine Frisur war ein wenig anders als am Vortag, fiel ihr auf. Der Pony stand heute nicht hoch, sondern war seitlich aus der Stirn gekämmt.
»Das war keine Absicht. Sie haben mich erschreckt, da bin ich ausgerutscht.«
»Oje, Entschuldigung.« Er zog die Nase kraus und sah sie verlegen an. »Das war auch keine Absicht.«
»Kein Problem. Wenn ich gerade zum finalen Pinselstrich ausgeholt hätte, wäre es bedeutend schlimmer gewesen. Dann hätte ich Ihnen vermutlich einen Tritt verpasst, als Sie eben Richtung Kante gerutscht sind.«
»In Ihnen schlummern kriminelle Energien«, stellte er fest und sah sie durchdringend an.
Sie lachte. »Nein, eher nicht. Hunde, die bellen, beißen nicht. Sagt man doch so.«
»Sagt man, stimmt aber nicht immer. Machen Sie hier Urlaub?«
»Ja, bei einer Freundin. Und Sie?«
»Ich nicht«, gab er knapp zurück. »Wie heißen Sie?«
»Jasmin Baumgarten«, antwortete sie automatisch und fragte sich im nächsten Moment, ob es klug war, ihren Namen preiszugeben. Es war ungewöhnlich, dass er überhaupt danach fragte, dachte sie und wollte ihn gerade nach seinem Namen fragen, doch er sprach schon weiter:
»Seit wann sind Sie schon hier?«
»Gerade erst angekommen.«
»Gestern waren Sie immerhin schon in Lüttenort.«
»Ja, das war mein erster Ausflug«, erklärte sie.
»So?«
Sie runzelte die Stirn. »Ja, wenn ich’s doch sage.«
Seine Miene entspannte sich. »Natürlich, Entschuldigung, ich hatte nur den Eindruck, dass Sie sich hier in der Gegend auskennen.«
»Ich besuche meine Freundin jedes Jahr«, erklärte sie und fragte sich, wie er auf diese Einschätzung kam. Schließlich hatten sie am Tag zuvor nicht ein einziges Wort gewechselt. Hatte er sie beobachtet?
»Wo wohnt Ihre Freundin?«
»Südlich des Schmollensees.«
»Schöne Gegend.« Er sah sich plötzlich um, als suche er etwas. »Mir hat jemand erzählt, dass es hier oben auf dem Streckelsberg eine Höhle geben soll, eine unterirdische Verbindung zum Strand.« Er sah ihr unvermittelt in die Augen und wirkte mit einem Mal sehr konzentriert. »Haben Sie davon gehört?«
»Deswegen bin ich
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