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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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denkt er gut gelaunt.

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    Teil zwei
    Kapitel 5
    Dienstag, 10. Juli
    D ie schmale Straße gabelt sich auf einer idyllischen Anhöhe. Eine Abzweigung führt ganz gemächlich nach unten ins nächste Dorf, die andere verspricht ein kurvenreiches und überaus riskantes Manöver zu werden.
    An dieser geruhsamen Wegscheide auf dem Kirkstone Pass im britischen Cumbria ahnt Mac, welchen Weg seine Frau wählen wird: die in schnellem Wechsel stark ansteigende und jäh abfallende Route, nicht ohne guten Grund vor Jahrhunderten von einem längst verstorbenen Einwohner oder Reisenden auf den Namen «The Struggle» getauft. Neben ihm steht Karin und blickt ins Tal, wo die beiden Wege so stark auseinanderdriften wie Zwillinge, die unbedingt ihre Individualität beweisen müssen: links das plane, sich in der Ferne verlierende Asphaltband, rechter Hand der heimtückische Struggle mit seinen draufgängerischen Kurven und dem nicht zu übersehenden Warnschild mit dem ironischerweise durchaus verheißungsvollen Versprechen, dass man auf dieser Route den Ort eher erreicht.
    Mac favorisiert den linken, den idiotensicheren Weg, aber er kennt Karin nur zu gut. Wie jemand so bodenständig und gleichzeitig so waghalsig sein kann, ist ihm immer noch ein Rätsel. Auf der anderen Seite war dies einer der Gründe, weshalb er sich in Karin verliebte und sich von seiner ersten Frau trennte, lange bevor er ihr seine Gefühle gestand. Mit Karin, deren bezwingendes, hitzköpfiges Naturell große Anziehungskraft auf ihn ausübt, ist das Leben voller Überraschungen.
    «Deine Entscheidung», meint Mac, wohl wissend, welchen Weg sie instinktiv wählen wird.
    «Hmm.» Sie mustert The Struggle, dann die simple Route und schließlich ihn. Als sich ihre Blicke treffen, weiten sich ihre Pupillen, und ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Seit sie in England sind, ohne die Kinder, macht sie einen etwas entspannteren Eindruck, was ihn froh stimmt. «Lass es mich noch einmal probieren», meint sie, «und dann sehen wir weiter.»
    Zum dritten Mal an diesem Nachmittag wählt sie Marys Nummer. Nachdem sie sich in Heathrow voneinander verabschiedet haben, ist Mary mit den Kindern nach Sardinien geflogen. Ein paar Stunden später hat sie angerufen und ihnen mitgeteilt, dass sie sicher in Cagliari gelandet sind. Seither haben sie nichts mehr von ihr gehört, denn obwohl sie mehrere, sündhaft teure Überseedatenpakete erstanden haben, scheint Marys Handy in Italien nicht mehr zu funktionieren.
    Mac fällt auf, dass Karins Finger weiß anlaufen, während sie den Blackberry an ihr Ohr drückt. Ihr Blick schweift über die in Nebel gehüllten grünen Hügel, dann seufzt sie frustriert und beendet das Gespräch, das gar nicht stattgefunden hat. Nun besteht nicht mehr der geringste Zweifel, für welche Straße sie sich entscheiden wird.
    «Da entlang.» Mit ihrem alten Handy zeigt sie auf The Struggle.
    Beide Routen führen durch eine sanfte grüne Hügellandschaft. Da Nebelschwaden am Horizont die Fernsicht stark einschränken, ist das Dorf im Tal nicht zu erkennen, und Mac kann nicht abschätzen, was sie dort unten erwartet und ob es sich überhaupt lohnt, dorthin zu fahren. Von dem Besitzer des Bed and Breakfast, in dem sie abgestiegen sind, wissen sie, dass der Gasthof in dem Örtchen für seine
Tea time
berühmt ist. Karin macht keinen Hehl daraus, dass sie die englische Teezeremonie zwar für eine charmante, vor allem aber höchst schrullige Eigenart hält. Trotzdem will sie dieser britischen Gepflogenheit heute unbedingt ausgiebig frönen. Da Karin in Urlaubsstimmung für Mac ein Novum ist, nimmt er die Dinge, wie sie kommen. Ist sie glücklich, geht es ihm auch gut. Manchmal kommt es ihm fast so vor, als wäre ihr Glück für ihn wichtiger als alles andere.
    «Gut.» Ihm wäre die andere Strecke bedeutend lieber gewesen, aber er weiß genau, wann es sich zu kämpfen lohnt und wann nicht.
     
    «Lass mich fahren.» Ich strecke die Hand aus und warte, dass er mir den Autoschlüssel gibt. Aber Mac starrt mich nur an. Nach einer kleinen Ewigkeit fragt er: «Echt jetzt?»
    Seine entgeisterte Nachfrage erheitert mich. Natürlich habe ich auch ein bisschen Lampenfieber, aber ich kann der Herausforderung einfach nicht widerstehen. «Ich möchte wirklich ans Steuer», betone ich.
    «Wann bist du zum letzten Mal auf der anderen Straßenseite gefahren?»
    «Lass mich überlegen.» Dass er mich fragt, ist ein Witz, denn er kennt die Antwort. Im Gegensatz zu

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