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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Schnappschüsse. Die ersten Eindrücke von dem Familienurlaub auf Sardinien haben meine unterschwelligen Bedenken zerstreut:
    Ben, von Kopf bis Fuß mit Sandkörnern überzogen, grinst in die Kamera.
    Fremont, gebückt und in gelber Badehose, hebt mit beiden Händen einen Graben für die Sandburg aus. Neben ihm steht Ben mit einem Plastikeimer.
    Dathi liegt bäuchlings unter einem schattenspendenden Baum und liest.
    Alle drei Kinder stehen im Meer und bespritzen sich gegenseitig mit Wasser.
    Beim Anblick des neuen Fotos wird mir ganz warm ums Herz:
    Die drei Kinder sitzen vor einer Couch auf dem Boden und machen ein Picknick. Die Köstlichkeiten auf den Tellern lassen meinen Magen knurren. Mein Blick bleibt an Ben hängen. Mein süßer kleiner Sohn in schildkrötengrüner Badehose und blauem T-Shirt stibitzt etwas von Dathis Teller. Dathi, die ein orangefarbenes Bikinioberteil trägt, das sie wohl gerade bei Carrefour gefunden hat, gibt ihm lachend einen Klapps auf die Hand. Fremont, in Shorts und T-Shirt, lehnt mit dem Rücken an dem Sofa und hat die langen Beine ausgestreckt, während er mit seinen dünnen Fingern Luftgitarre spielt. Auf der Couch schlafen mehrere Kätzchen. Es hat ganz den Anschein, als würden sich alle im Haus der Rossis wohl fühlen und eine unbeschwerte Zeit verleben.
    Morgen werden wir sie dort treffen. Ich kann es kaum noch erwarten.
    Mit einem Sandwich von der nächstbesten Touristenbude stille ich meinen Hunger und gehe weiter zum Globe Theatre. Es war Macs Vorschlag, mir das Gebäude anzusehen, das er eigentlich selbst gern besichtigt hätte. Nun muss er sich damit zufriedengeben, dass wenigstens ich das Theater besuche, das einer seiner literarischen Helden ins Leben gerufen hat.
    Auf dem Weg dorthin entdecke ich jedoch etwas, dem ich beim besten Willen nicht widerstehen kann: Auf einer runden blauen Plakette auf einer Steinmauer steht
The Clink – 1151 – 1780 . Das berühmteste Gefängnis des Mittelalters
. Ich bin baff – ein fast tausend Jahre altes Gefängnis. Bei meinem Streifzug durch London, das so hektisch und kosmopolitisch wie New York ist, haben mich vor allem die zahllosen Relikte aus vergangenen Zeiten überrascht. Einmal abgesehen von meinem langjährigen Interesse an Gefängnissen und Friedhöfen, habe ich mich kaum mit Geschichte befasst, doch hier übt sie eine große Faszination auf mich aus. Das hier ist wirklich geschichtsträchtiger Boden. Ohne Großbritannien gäbe es die Vereinigten Staaten nicht, die mit Ausnahme der Sprache aber nicht viel von ihrem Mutterland übernommen haben.
    Das älteste Gefängnis in den Vereinigten Staaten ist nach meinem Kenntnisstand Newgate, das im achtzehnten Jahrhundert im heutigen Greenwich Village erbaut wurde – also zu jener Zeit, wo The Clink bereits geschlossen wurde. Die Verurteilten wurden vom Gericht in der Wall Street auf dem Fluss nach Newgate gebracht. Ich kannte Newgate vom Hörensagen, und so fiel mir eines schönen Tages in der U-Bahn-Station Christopher Street ein kleines Mosaik mit einem wuchtigen Gebäude auf. Diese Einlegearbeit ist das einzige Zeugnis in der gesamten Stadt, das an das alte Gefängnis erinnert. Kaum war ich daheim, googelte ich es und erfuhr, dass Newgate 1828 geschlossen wurde, weil es nicht mehr praktikabel war, die Gefangenen durch den Washington Square Park zu der Ulme zu bringen, wo man sie – ist es denn zu fassen? – aufhängte. Da sich die Stadt weiter nach Norden ausbreitete, kamen die Gefangenen in das neuere, in Upstate gelegene Gefängnis namens Sing Sing.
    Nun streiten zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite möchte ich das Globe Theatre besichtigen, weil ich es Mac versprochen habe und für die Kinder ein paar Scherzartikel besorgen möchte. Andererseits ist der Gedanke, The Clink von innen zu sehen, unglaublich verlockend. Ich muss mir nur ausmalen, wie Barbiere dort Menschen operierten, die unter Krankheiten litten, die man zu jener Zeit auf sündiges Verhalten zurückführte, schon läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.
    Und so betrete ich gut gelaunt The Clink, Englisch für Knast. Die Dunkelheit und die Feuchtigkeit fühlen sich ziemlich authentisch an. Eine weitere Plakette informiert darüber, dass das Museum auf dem Gelände errichtet wurde, wo einst das Gefängnis stand. Die Nachricht enttäuscht mich so sehr, dass ich beinah auf dem Absatz kehrtmache. Der Anblick einer fies aussehenden Beinschraube besänftigt mich jedoch. Ich schlendere an

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