Der Sommer deines Todes
ist auch der Grund, weshalb wir uns an Kroll in London gewandt haben. Es war deren Idee, mit ihrem Büro in New York in Kontakt zu treten. Kroll hielt es für sinnvoll, den Vorgang noch weiter zu verschleiern und Sie ins Boot zu holen … einen Amerikaner ohne Verbindung nach Großbritannien.»
«Aber ich bin doch Ire», meint Mac mit einem Schmunzeln.
«Amerikaner irischer Abstammung», stellt Gelson klar und grinst ebenfalls. «Das bietet einen Anknüpfungspunkt. Heute Abend, wenn Sie mit Ihrer Gattin im The Ivy speisen und Simon McLaughlin rein zufällig an der Bar treffen, können Sie über Ihre gemeinsamen Wurzeln plaudern.»
Mac fällt es schwer, nicht laut herauszulachen. «Dürfte ein Kinderspiel sein, solange wir Namensschildchen tragen.»
«Simon trifft sich jeden Mittwochabend mit seiner Geliebten im The Ivy. Sie nehmen ein paar Drinks und verbringen ein, zwei Stunden in einem nahe gelegenen Hotel, bevor er nach Hause geht.»
«Zu Frau und Kindern.» Macs gute Laune verflüchtigt sich schlagartig. Ist er etwa den ganzen weiten Weg gereist, nur um in London wieder einen untreuen Ehemann zu beschatten?
«Zu seiner Frau. Kinder hat er nicht. Aber sein Privatleben interessiert uns nicht. Wieso auch? Unsere Puritaner sind schon vor langer Zeit nach Amerika ausgewandert.» Gelson lacht sardonisch.
«Na, dann können wir ja auch darüber sprechen, falls das mit den irischen Wurzeln nicht funktioniert.»
«Ihnen wird schon etwas einfallen, um die Unterhaltung in Gang zu bringen. Dessen bin ich mir sicher.»
«Und dann?»
«Dann fühlen Sie ihm auf den Zahn.»
«Was genau wollen Sie wissen?»
«Versuchen Sie, das Gespräch auf die Arbeit zu lenken. Finden Sie heraus, wie er tickt. Achten Sie darauf, ob er Namen fallen lässt.»
«Und das war’s?»
«Nicht ganz. Dann rufen Sie mich an, erstatten Bericht, und dann ist Ihr Job erledigt, und Sie steigen morgen in den Flieger nach Italien.»
«Woher wissen Sie, dass ich nach Italien reise?»
«Kroll hat das erwähnt. Sie haben gesagt, Sie würden dort mit Ihrer Familie Urlaub machen. Tolle Idee, muss ich schon sagen.»
«Danke. Um welche Uhrzeit esse ich zu Abend?»
«Acht Uhr. Auf Ihren Namen, Seamus MacLeary, wurde ein Tisch reserviert.»
«Genau genommen heiße ich Seamus Cian Benjamin MacLeary.»
Macs Entgegnung scheint Gelson zu amüsieren. Als der Banker bis über beide Ohren grinst, wird seine bislang stoische Miene etwas weicher. Nun, da der Panzer des Mannes endlich Risse zeigt, gestattet es sich Mac, laut zu lachen. Dass sie aus ganz unterschiedlichen Gründen so belustigt sind, tut der Heiterkeit keinen Abbruch. Gelson findet die Iren mit ihrem Faible für Namenungetüme und die Amerikaner mit ihrer engstirnigen Sexualmoral gleichermaßen komisch. Mac muss lachen, weil er endlich weiß, welchen Umständen er den Job zu verdanken hat: seinem Namen und der Tatsache, dass ihn keiner kennt. Sie brauchen einen unsichtbaren Amerikaner irischer Abstammung, der sich an einen irischen Halunken heranmacht, ihn aushorcht und gleich wieder verschwindet. Zwei Männer, die sich bei einem Drink anfreunden, wie es die Iren nun mal tun. Falls es für diesen Job einen irisch-amerikanischen Säufer braucht, hätten sie sich allerdings besser an Macs Bruder Danny wenden sollen. Dannys Kampf, sich von der Flasche fernzuhalten, ist legendär und stimmt Mac melancholisch. Um auf andere Gedanken zu kommen, konzentriert er sich auf das viele leicht verdiente Geld, das sie ihm für diesen Auftrag bezahlen. Für ihn ist das tatsächlich ein üppiges Salär. Während er durch die Glaswand in den angrenzenden Besprechungsraum späht, hinter dessen Fenster sich der blaue Himmel in der einsetzenden Dämmerung violett färbt, realisiert er, dass sie ihn aus der Portokasse bezahlen können. Was ihm wie ein Geldregen vorkommt, sind hier nur Peanuts.
«Gut.» Mac erhebt sich. «Acht Uhr. The Ivy. Und morgen melde ich mich bei Ihnen.»
«Damit wird die Sache für Sie erledigt sein, Mr. MacLeary. Dann können Sie London getrost den Rücken kehren und Ihren Urlaub genießen.»
Auf meinem Weg zum Globe, einem Nachbau von Shakespeares kreisrundem Open-Air-Theater, das im siebzehnten Jahrhundert abgebrannt ist, gehen auf meinem Blackberry mehrere E-Mails und ein Foto von Mary ein. Ich fliehe vom Bürgersteig in einen Türeingang, setze mich auf eine Treppenstufe und sehe sie mir genau an. Kurz nach meinem Telefonat mit Mary, erhielt ich bereits einen Satz
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